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M2 Die weltpolitische Herausforderung der EU Der Politikwissenschaftler Herfried Münkler erläutert 2005 in seinem Buch über „Imperien“ (vom antiken Rom bis zu den USA) auch die weltpolitische Lage Europas: Europa ist durch die veränderten Konstellationen nach dem Ende des Ost-West-Gegensatzes und dem Zusammenbruch der Sowjetunion erheblich stärker herausgefordert, als man sich dies Anfang der 1990er-Jahre vorstellen konnte und wollte. Zunächst wurde das Ende des weltpolitischen Gegensatzes als Chance begriffen, die Teilung des Kontinents in zwei konträre politische Lager zu überwinden und den in Westeuropa begonnenen Prozess einer die Nationalstaaten übergreifenden wirtschaftlichen und politischen Integration schrittweise auf Mittelund Osteuropa auszudehnen. Rückblickend zeigt sich, dass man den befürchteten Widerstand Russlands überschätzt, während man die dabei auftretenden wirtschaftlichen und sozialen Probleme unterschätzt hat. Dass sich mit der „Wiedervereinigung Europas“ auch dessen politisches Gewicht verändern und es weltpolitisch eine gewichtigere Rolle spielen werde, ist von einigen Beobachtern vorausgesagt worden, wobei die Erwartungen bezüglich der Rolle, die den Europäern dabei zufallen werde, in der Regel weit überzogen waren. […] Tatsächlich bestand und besteht die Herausforderung der Europäischen Union darin, dass sie auf der einen Seite mit einem postimperialen Raum konfrontiert war, in dem sich mit großer Geschwindigkeit alle die Konfl ikte und Instabilitäten entwickelten, die für postimperiale Räume typisch sind, 5 10 15 20 während sich auf der anderen Seite die bislang als wohlwollender Hegemon1 agierende westliche Führungsmacht zunehmend in einen imperialen Akteur verwandelte, der auf die Wünsche und Vorstellungen seiner Verbündeten kaum noch Rücksicht nahm. Die meisten europäischen Politiker sind von diesen Entwicklungen auch deswegen überrascht worden, weil sie die Handlungslogik eines Imperiums nicht auf ihrer Rechnung hatten: Sie dachten in der politischen Recheneinheit Staat – und wurden mit postimperialen Räumen auf der einen und einem imperialen Akteur auf der anderen Seite konfrontiert. Die Irritationen begannen bei der Frage, welche Reaktion auf die jugoslawischen Zerfallskriege angemessen sei, und steigerten sich bis zu den politischen Zerwürfnissen im Vorfeld des Irak-Krieges. Hat nun, wie einige meinen, Europa an Bedeutung und Einfl uss gewonnen? Oder hat es, wie andere dagegenhalten, an beidem verloren? Herfried Münkler, Imperien. Die Logik der Weltherrschaft – vom Alten Rom bis zu den Vereinigten Staaten, Berlin 2005, S. 245 f. 1. Erläutern Sie die „Wiedervereinigung Europas“ durch die EU. Was ist mit postimperialem Raum gemeint? 2. Analysieren Sie das politische Verhalten der EU-Staaten im Rahmen der Jugoslawien-Kriege und des Irak-Krieges, die Münkler nennt. 3. Überprüfen Sie, welche Antwort auf die beiden Schlussfragen Münklers angemessen ist. 1 Hegemon (griech.): „Vorherrscher“, „Vormacht“ o EUPOL. Foto vom 28. März 2010. Zur Gemeinsamen Außenund Sicherheitspolitik der EU gehören auch friedenserhaltende oder -schaffende Maßnahmen. Bei der Mehrzahl der EUMissionen, die es im Zeitraum zwischen 1992 und 2009 gab, handelte es sich um zivile Einsätze. In Afghanistan unterstützt die EU den Aufbau einer Polizei. Das Bild zeigt einen Ausbildungsleiter aus SchleswigHolstein (rechts). 25 30 35 40 537Erweiterung und Herausforderungen der Europäischen Union N r z u Pr üf zw ec ke Ei ge tu m d es C. C. Bu ch ne r V rla gs | |
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