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Soll und kann Europa eine Gemeinsame Außenund Sicherheitspolitik betreiben, letztlich eine Weltpolitik, die seinem Potenzial entspricht? Es gibt Argumente dafür. Im Zeitalter der Globalisierung versteht sich die EU nicht in erster Linie als Binnenmarkt. Vielmehr will sie ihre Kräfte bündeln, da sich der politische Einfl uss ihrer Einzelstaaten verringert. Zudem erwarten die Partner weltweit ein stärkeres Engagement Europas. Die EU wird das freilich nicht in einem eng verstandenen Vorteilsdenken tun können. Der Friede, den sie auf dem eigenen Kontinent stabilisiert, ist abhängig vom Frieden außerhalb. Daher muss die EU ihr wirtschaftliches und militärisches Potenzial künftig stärker für den Frieden in der Welt einsetzen (u M2). Um auch in der Hochtechnologie als konkurrenzfähige „global player“ zu agieren, arbeiten Unternehmen, Banken und Staaten aus verschiedenen europäischen Ländern in Konsortien* und Organisationen zusammen. Beispiele dafür sind die EADS (European Aeronautic Defence and Space Company) mit dem Luftfahrtunternehmen Airbus und die europäische Weltraumorganisation ESA (European Space Agency). Teure Projekte dienen zum Teil dem Prestige der europäischen Staaten und lassen die europäische Wirtschaft von technologischen Entwicklungen profi tieren. Gibt es eine Wertegemeinschaft? Europäische Identität Die EU hat im Lauf der Jahrzehnte eine Identität entwickelt. Die Reden der führenden Staatsmänner erinnern nicht mehr so häufi g wie um 1950 an die Werte des Christentums und der Antike. Frieden und Freiheit sind jedoch Kernbegriffe der Wertegemeinschaft geblieben. Darüber hinaus werden Werte genannt, die europäisch und westlich-atlantisch zugleich sind: die Vernunft (Rationalität, Rationalismus), die Säkularisierung (Trennung von Kirche und Staat) sowie die Demokratie (Herrschaft des Volkes) als Garant der Menschenrechte und des Rechts. Die Frage, ob diese Orientierungen in der Politik zum Tragen kommen, stellt sich in jedem Einzelfall. Ein Beispiel ist die Integration der arabischen und türkischen Minderheiten. Sie kommen aus einer anderen Wertewelt, in der die Religion weit mehr gilt als rein weltliche Vernunftgründe, in der auch die Demokratie keine vergleichbare Tradition hat und anders verstanden wird als in Europa. Die Herausforderung für Europa ist, die schwierige Integration der Zuwanderer zu bewältigen, ohne die eigenen Werte des Friedens, der Freiheit und der Demokratie zu missachten. Aber die Herausforderung, die in Reden beschworenen Werte in unmittelbare Politik umzusetzen, betrifft jedes Handlungsfeld, auch die demokratischen Ordnungen der Europäer selbst. Stiftet die gemeinsame Kultur und Akzeptanz der Werte auch eine Identität bei den Bürgern, verstanden als Übereinstimmung, Identifi zierung mit Europa? Eine Umfrage im Jahr 2004 brachte folgendes Ergebnis: 86 Prozent der Befragten waren stolz auf ihre Nationalität, 68 Prozent waren stolz darauf, Europäer zu sein. Noch kann keine Rede davon sein, dass sich eine gemeinsame europäische Öffentlichkeit gebildet hat. Deshalb konzentrieren sich – abgesehen von Eliten in Politik, Wirtschaft und Kultur – die Diskussionen über europäische Fragen noch immer auf den nationalen Raum. Europäische oder länderübergreifende Medien spielen somit nur eine sehr untergeordnete Rolle. Um den Austausch zwischen den Ländern zu erweitern und zu vertiefen, ermöglichen europäische Bildungsprogramme wie SOKRATES und ERASMUS jungen Menschen für längere Zeit in anderen europäischen Ländern zu leben und helfen Sprachbarrieren sowie Vorurteile abzubauen. * Konsortium: Zusammenschluss von Unternehmen und Banken zur Durchführung eines größeren Geschäftes i Lena Meyer-Landrut, die Gewinnerin des Eurovision Song Contest 2010. Der Eurovision Song Contest (früher Grand Prix Eurovision de la Chanson) ist ein Liederwettbewerb der Europäischen Rundfunkunion (EBU), in der 57 Länder aus Europa, Asien und Nordafrika vertreten sind. Er wird seit 1956 jährlich ausgetragen. Beim Finale entscheiden die Zuschauer der teilnehmenden Länder das Ergebnis mit. p Erörtern Sie, ob die Veranstaltung die europäische Identität stärkt oder ob der Konkurrenzgedanke im Vordergrund steht. p p Nennen Sie weitere europäische Organisationen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen (z. B. Sport, Kultur). Informieren Sie sich über die beteiligten Mitgliedsländer. Diskutieren Sie, welche Bedeutung sie für Europa haben. SOKRATES: Aktionsprogramm der EU zur Förderung der transnationalen Zusammenarbeit im Bildungsbereich; 2006 abgelöst durch das „Programm für lebenslanges Lernen“ ERASMUS: Teil des Programms SOKRATES und dann des „Programms für lebenslanges Lernen“; gegründet 1997, um die Zusammenarbeit der europäischen Hochschulen und vor allem die Mobilität der Studenten zu fördern 535Erweiterung und Herausforderungen der Europäischen Union Nu r z P rü fzw ec ke n E ge nt um d s C .C .B uc ne r V rla gs | |
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