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189 Von der Hände Arbeit leben – bürgerliche und bäuerliche Arbeitswelten Erster Text: Friedrich-Wilhelm Henning, Das vorindustrielle Deutschland 800 bis 1800, Paderborn u. a. 51994, S. 213 f. Zweiter Text: Franz Mathis, Die deutsche Wirtschaft im 16. Jahrhundert, München 1992, S. 38 Dritter Text: Michael North (Hrsg.), Deutsche Wirtschaftsgeschichte. Ein Jahrtausend im Überblick, München 22005, S. 117 1. Fassen Sie die Kennzeichen für den Begriff „Frühkapitalismus“ für jeden Text zusammen. 2. Vergleichen Sie die Begriffsbestimmungen nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden. 3. Arbeiten Sie heraus, worin sich der Frühkapitalismus gemäß der Defi nition Friedrich-Wilhelm Hennings von den vorherigen Wirtschaftsformen unterscheidet. Erörtern Sie, was ihn vom ausgebildeten Kapitalismus der Moderne unterscheidet. 4. Nehmen Sie Stellung, inwieweit der Begriff „Frühkapitalismus“ einen Gewinn an Systematik für das historische Erkennen bringt. Überprüfen Sie Ihr Urteil, indem Sie das Verlagswesen als „frühkapitalistisch“ beschreiben. M3 „In Haus und Hof vollzieht sich das Berufsleben“ In einem Buch mit Quellen und Berichten zum Alltag der Menschen im 18. Jahrhundert heißt es über die Lebensund Arbeitsverhältnisse der Bauern und Handwerker: In Haus und Hof vollzieht sich großenteils das Berufsleben. Das bedarf, was das ganze Bauernvolk betrifft, die Mehrheit des Volkes damals, keiner Erläuterung; an lebendiger Anschauung fehlt es auch heute nicht, wenn man die Motorfahrzeuge, das moderne Gerät in Abzug bringt. Auch die Handwerkshäuser alter Art leben noch, bei aller Wandlung, an tausend Plätzen; Meisterhaushalt und Werkstatt unter einem Dach oder über den Hof benachbart. Doch war das Zusammenleben damals dichter, dicker. Gesell und Lehrbuben wohnten im Haus, saßen am Familientisch und hatten zu essen, was sie Meisterin gekocht hatte und ihnen vorsetzte. „Die Rüben, die Rüben, die haben uns vertrieben. Hätt’ die Meisterin Fleisch gekocht, so wären wir geblieben.“ So ein grauer Altgesell (ledig natürlich, denn er durfte ja nicht heiraten – wenn den Meister allenfalls der Schlag hinwegraffte, bekam er vielleicht die saure und runzelige Wittib und war dann selber Meister, ein gemachter Mann, ein Glückspilz), der Altgesell hatte im besten Fall sein eigenes schmales Bett, ganz selten sogar ein eigenes Kämmerchen, wo er das Seine an den Nagel hängen konnte. In der Regel genügte für die Kerls eine Kammer, und man legte mehrere in ein Bett, die Lehrbuben allemal. Sie schliefen auch so, dafür war gesorgt bei einem Arbeitstag von 12 oder 14 Stunden. […] Die alte häusliche Selbstversorgung und Vorratswirtschaft können wir uns nicht umfassend genug vorstellen. Schweine und Hühner wurden beim oder im Haus gehalten, wenn möglich auch eine Kuh, und wenn ein Stadtgraben da war, ein Fluss am Städtchen fl oss, Gänse und Enten; auch hatte man Bienenvölker. Wer vor dem Tor ein Gütchen besaß, und das hatten viele, zog dort, was er brauchte und Himmel und Erde gewährten, Wein und Obst, Kohl und Rüben, Küchenkräuter, Salat und Rettich, die neumodischen Kartoffeln […], Hafer für die Pferde, wenn man eigene hielt, Brotgetreide, das man mahlen ließ. Das Eindünsten von Gemüse und Obst war noch nicht erfunden, dafür hatte das Weibervolk mit dem Putzen, Hobeln, Einsalzen und Einstampfen von Kohl oder Kraut mächtig zu tun, mit dem Herrichten und Trocknen von Pilzen, Zwetschgen, Birnund Apfelschnitzen. Der Schlachttag, zu winterlicher Zeit, war ein eigener Festtag […]. Doch ist diese ganze häusliche Ökonomie nicht darauf beschränkt, den leeren Bauch zu füllen und den Durst zu löschen. Es werden Lichter gegossen, es wird gesponnen und gewebt – das Spinnen, ein beliebtes winterabendliches Geschäft, gemeinsam reihum in den Häusern, mit Geschichtenerzählen und Gesang, das junge Mannsvolk zu später Stunde vor der Tür versammelt, um die vom Singen und Lachen ermunterten Mädchen heimzuführen durchs Dunkel, Anlass zu häufi gem Kanzeldonner – Strümpfe werden gestrickt, Fäustlinge, Bauchbinden und Nachtmützen; in manchen Häusern verstehen sich die Frauenzimmer auf die Anfertigung von Geldbörsen und Strickbeuteln. Wer wenig oder beinah gar nichts kann, kann sich immer noch in den müßigen Abendstunden nützlich machen, indem er Anfeuerungsholz und Fidibusse1 herstellt. Und hundertfach erwächst aus der häuslichen Ökonomie eine kleine Hausindustrie, – hölzernes Küchengerät, Siebe, Körbe … bis hinauf zu kostbarer Stickerei und zur Uhrenherstellung. Es ist ein solches Haus eine zwar nicht gerade autarke, aber doch stark entwickelte und in sich geschlossene Produktions und Konsumgemeinschaft. Peter Lahnstein, Report einer „guten alten Zeit“. Zeugnisse und Berichte 1750 1805, München 21979, S. 20-22 1. Beschreiben Sie Besonderheiten und Funktion des „Hauses“ in der vormodernen Gesellschaft. Wie gestaltete sich das Zusammenleben? 2. Begründen Sie, worin die Bedeutung der „häuslichen Ökonomie“ für die Menschen lag. Berücksichtigen Sie auch mögliche Gefahren derselben. 1 Fidibus: harzreicher Holzspan oder Papierstreifen zum Anzünden von Feuer 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 Nu r z u Pr üf zw e ke n Ei ge nt um de s C .C .B uc hn r V er la gs | |
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