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89 40 45 50 55 60 65 Haben die deutschen Medien in Deutschland überhaupt die Macht, einen Politiker zu Fall zu bringen? Ja, sicher. […] Wenn man einen Politiker zu Fall bringen will, muss er allerdings bestimmte […] Schwächen zeigen und sich zu Fall bringen lassen. Außerdem muss der Affärencharakter für die Bevölkerung so eindeutig sein, also […] Regeln müssen so stark verletzt werden, dass ein Meinungsklima entsteht, in dem sich am Schluss alle einig sind: Dieser Mann oder diese Frau muss gehen. Im Fall von Christian Wulff war das so. Interessant war, dass die meisten Deutschen die Vorwürfe gegen ihn anfangs läppisch fanden und dafür waren, dass er im Amt bleibt. Am Ende haben Umfragen dann ergeben, dass 70 Prozent ihm noch nicht mal den Ehrensold (= Pension als ehemaliger Bundespräsident) geben wollten. Das hat sich komplett gedreht. „Bild“ hat dabei eine große Rolle gespielt, aber auch andere Medien wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ und „Spiegel Online“. Das ist übrigens ein dritter Faktor: Allein schafft es ein Blatt nicht. Auch nicht „Bild“. Um eine hochrangige Person der Öffentlichkeit zu stürzen, müssen sich führende Medien einig sein. Die „Bild“-Zeitung hat jahrelang sehr wohlwollend über Christian 5 10 15 20 25 30 35 Wulff berichtet. [...] Warum hat sich „Bild“ auf einmal gegen ihn gewendet? Es gibt Hinweise darauf, dass Christian Wulff in der Zeit als Bundespräsident seine Rolle neu defi nierte und versucht hat, „Bild“ klar zu machen, dass er und seine Frau nicht mehr exklusiv für Fotos und Interviews zur Verfügung stehen. Und wie in einer enttäuschten Liebesbeziehung hat sich daraus eine wechselseitige Entfremdung ergeben. Diese hatte schon über ein Jahr vor der Affäre angefangen und zu Reibereien mit dem Springer-Konzern geführt. […] War Christian Wulff also ein leichtes Opfer der Medien? Er war auf alle Fälle sehr naiv, was die Medienwirkung und das Verhältnis zwischen Politikern und Journalisten angeht. [...] Die deutsche Gesellschaft ist mittlerweile erstaunlich offen und tolerant, aber das Publikum merkt schnell, ob ein Politiker komplett aus seiner Rolle fällt. Die Medien liefern natürlich die Vorlage, doch für einen Stimmungsumschwung muss auch das Publikum bereit sein, bestimmte Argumentationen mitzutragen. Interview: Katja Hanke, Goethe-Institut e. V., Internet-Redaktion, Mai 2012 Am 17.2.2012 trat Bundespräsident Wulff nach einer wochen langen Medienschlacht von seinem Amt zurück. Aufgaben 1. Diskutiert, was im Fall des Titanic-Titels mehr Bedeutung hat, das Persönlichkeitsrecht des Papstes oder die Meinungs freiheit der Zeitschrift (M 8). 2. Erörtere, ob die Rüge, die der Presserat als Mittel zur Bestrafung aussprechen kann, ausreichend ist, um den Pressekodex durchzusetzen (M 8, M 9). 3. Charakterisiere am Beispiel des Falls Wulff, wie die Medien Druck ausüben konnten (M 10). 3.3 Mediendemokratie – braucht die Demokratie Medien? Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C .B uc hn er V er la gs | |
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