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1 Warum glauben wir dem Foto mehr als dem Gemälde? Diskutieren Sie den Wahrheitsgehalt eines Bildes im Hinblick auf Richters „Kerze“ (Abb. 1). 2 Malen Sie ein einfaches Motiv in Öl auf Leinwand. Verwischen Sie es anschließend mit dem im Text beschriebenen künstlerischen Verfahren Richters bis zur Unkenntlichkeit. Was zeigt Ihr Bild nun? Besprechen Sie Ihr Ergebnis in der Gruppe. 3 Diskutieren Sie das Richter-Fenster (Abb. 3). Inwieweit fi nden Sie es passend oder unpassend für den gotischen* Kölner Dom? Das Richter-Fenster im Kölner Dom Im Jahre 2006 erhielt Gerhard Richter vom Kölner Domkapitel den Auftrag, das 113 Quadratmeter große Fenster im Südquerhaus des Kölner Doms, das im Zweiten Weltkrieg zerstört worden war, zu entwerfen. Damit wurde dem Künstler die Ehre zuteil, ein beständiges Jahrhundertwerk gestalten zu dürfen. Das fast 19 Meter hohe sogenannte Richter-Fenster besteht aus 11 263 Farbquadraten (Abb. 3). Nachdem Richter die insgesamt 72 Farben ausgewählt hatte, ließ er die kleinen Scheiben mit den Maßen 9,6 x 9,6 cm mithilfe des Computers nach dem Zufallsprinzip anordnen. Das geplante Vorgehen mit unvorherbestimmtem Ausgang zeigt Parallelen zu seinen abstrakten Bildern. Hier wie dort werden Farben ausgewählt, die dann in einem festen Rahmen willkürlich aufeinandertreffen und zufällige Verbindungen eingehen. Die vielen bunten Glasscheiben, die sehr zeitgemäß auch an Pixel einer digitalen Rastergrafi k erinnern, werfen je nach Sonnenlicht bunte Lichtrefl exe in den Kirchenraum. Die nicht greifbaren und sich schnell verändernden Lichtpunkte sind für Richter eine Analogie zum Unsichtbaren und Unverständlichen. Ob er damit auch auf den christlichen Glauben und die Kirche anspielt, ist ungewiss. Manche Betrachter erinnert die Fenstergestaltung an die islamische Ornamentik (s. S. 312 ff.), in der bildliche Darstellungen aus Glaubensgründen bewusst vermieden werden. Die Wahl der abstrakten Form für das Fensterbild in Deutschlands berühmtestem Kirchenbau fanden einige Kritiker unpassend. Sie störte auch die digitale Willkür der Formbestimmung, die sich einer göttlichen Vorsehung in ihren Augen vollkommen verschließe. Nach seiner Einweihung im Jahre 2007 erfuhr das Richter-Fenster jedoch überwiegend Zuspruch, auch von seinen direkten kirchlichen Auftraggebern, die in dem Lichtspiel eine Einladung zur christlichen Meditation sehen. 3 Gerhard Richter: Südquerhausfenster (Richter-Fenster), 2007 Bunte Glasscheiben, je 9,6 x 9,6 cm, Dom zu Köln N u r zu P rü fz w e c k e n E ig n tu d e s C .C .B u c h n e r V e rl a g s | |
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