Didaktischer Pfad

Auch in staatlichen Schulen, die an verbindliche Curricula gebunden sind und in denen regelmäßig Leistungsbewertung stattfindet, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, den Unterrichtsalltag und die Wissensvermittlung zu gestalten. Dass diese "Auflockerungen" auch in staatlichen Schulen progressiv sein können, zeigen z.B. die jährlichen Gewinner des Deutschen Schulpreises.
Dieses Kapitel soll also den Blick öffnen und bewusst machen, dass es innerhalb des Schulsystems Gestaltungsmöglichkeiten gibt. Diese können auch im Bereich privater Schulen liegen. Inwieweit diese privaten Institutionen sich von staatlichen Schulen unterscheiden, wird im zweiten Teil des Kapitels angesprochen. Anschließend soll auch ein Blick über den "deutschen Tellerrand" gewagt werden, indem Aspekte des finnischen Schulsystems vorgestellt werden.
Im Hinblick auf die Kompetenzschulung steht die Internetrecherche auf dem Programm. Die meisten Schüler werden Erfahrung mit Computer und Internet mitbringen. Aber wenn es darum geht, eine strukturierte Recherche durchzuführen und zielorientiert mit der Informationsmasse umzugehen, stoßen die Schüler häufig an ihre Grenzen. Daher ist das angeleitete Vorgehen bei der Internetrecherche ein wichtiger Grundstein bei der Aneignung von Methodenkompetenz. Thematisch wird sie eingesetzt, um sich über die Organisation verschiedener Privatschulen zu informieren, sowie um herauszufinden, welche Privatschulen es im regionalen Umkreis gibt. Diese Rechercheaufgabe ist inhaltlich überschaubar und mit dem Thema werden sich bisher nur wenige Schüler auseinandergesetzt haben. Unbedingt sollen bei dieser Einführung in die Internetrecherche grundsätzliche Regeln, z.B. die vollständige und korrekte Angabe der Fundorte oder die Vertrauenswürdigkeit der Quellen, angesprochen werden.

Tipps und Links

Methodentipps

Mögliche Einstiegsfragen:

Welchen Ort mögt ihr in unserer Schule am liebsten? Warum?
Wie findet ihr insgesamt unser Schulgebäude?
Was sollte man an unserer Schule am besten gleich abreißen? Warum?

Literatur

  • Bernhard Bueb, Von der Pflicht zu führen. Neun Gebote der Bildung, Berlin 2008
  • Hartmut von Hentig, Warum muss ich zur Schule gehen? Eine Antwort an Tobias in Briefen, München 2001 (ab 8 J.)
  • Fritz Reheis, Bildung contra Turboschule. Ein Plädoyer, Freiburg 2007
  • Enja Riegel, Schule kann gelingen! Wie unsere Kinder wirklich fürs Leben lernen. Die Helene-Lange-Schule in Wiesbaden, Frankfurt 2004
  • Hannelore (Loki) Schmidt, Mein Leben für die Schule. Im Gespräch mit Reiner Lehberger, Hamburg 2005
  • Focus-Schule, Nr. 3, 12.5.2010
  • SZ-Magazin Wissen, Die neue Schule. So finden Kinder Spaß am Lernen, Oktober 2008, S. 18-34
  • SZ-Magazin, Nr. 14, 19.4.2010 (Themen: moderne Schularchitektur, Odenwaldschule, Schule in der DDR, Sportunterricht, Schulwege in anderen Ländern, Rütli-Schule)
  • Welche Schule ist die Beste, in: Die Zeit, Nr. 25, 17.6.2010, S. 65-68
  • Kaum etwas gelernt, in: Die Zeit, Nr. 26, 24.6.2010, S. 71-74
  • Pädagogik, die ansteckend ist. Der Deutsche Schulpreis, in: SZ, 8.12.2008

Links

Links zur Diskussion um Privatschulen:

Mögliche Referatthemen / Projekte

  • Schule und Unterricht in einem anderen Land
  • Schule in der Erinnerung der Eltern/Großeltern
  • Schülerzeitungen vorstellen, Schülerzeitung der eigenen Schule analysieren
  • Ganztagsschulen vorstellen (In welchen Ländern? Organisation des Tagesablaufs? Vorteile/Nachteile?)
  • späterer Schulbeginn (Vergleich mit anderen Ländern, Organisation des Tagesablaufs? Vorteile/Nachteile?)
  • Analyse eines Films zum Thema "Schule" (siehe unten)

Filme/DVDs

  • Der Club der toten Dichter
  • The Breakfast Club
  • School of Rock
  • Die Feuerzangenbowle
  • Schule (dt. Produktion 2000, u. a. mit Daniel Brühl, 98 Min.)

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Kopiervorlagen und Folien

  • M1: Arbeitsblatt zu den Fotos der Sudbury-Schule "De Kampanje"
  • M4: Lernvertrag

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Lösungen zu den Aufgaben

Aufgaben Seite 31

1. Tipp: Einige Schüler (etwa die Hälfte der Klasse) erstellen Rollenbiografien zu den drei Schülerinnen Maike, Linda und Patricia, d.h. sie schätzen das jeweilige Alter, beschreiben die mögliche familiäre Situation, führen Probleme, die sie in der alten Schule hatten auf, listen Hobbys, Berufswünsche etc. auf. Sicherlich werden die Wünsche und Erfahrungen der Schüler in diese Profile einfließen, die auch von negativen Erlebnissen bzw. von eigenen Schwächen geprägt sind. Die Rollenbiografien können in Einzelarbeit oder in Zweierteams verfasst werden, ggf. können die Rollenbiografien zur gleichen Schülerin auch in einer gemeinsamen zusammenfließen.

Anhand dieser Typenprofile werden die Fragen beantwortet, die sich die Schüler der Gruppe 2 ausgedacht haben - arbeitsteilig. Diese haben als Erfahrungsgrundlage ihren Unterrichtsalltag (Stundenplan, Klassenarbeiten, Lehrer-Schüler-Verhältnis, Schulräume, technische Ausstattung etc.), vergleichen ihn zum einen mit den (wenigen) Angaben aus M1 und fragen nach, was dieser Text nicht erzählt, was aber für die Schüler zu ihrem Schulalltag gehört.
Der Lehrer kann auf der Grundlage des Zusatztextes "seine" Unterrichtsmethoden darstellen. Er kann - falls er möchte - auch seinen (bisherigen) Unterrichtsalltag darstellen, wie er ihn bis zum Wechsel an die Kampanje erlebt und gestaltet hat. Dabei kann er Kritik an dem bisherigen System üben, dessen Vorteile herausheben bzw. andersherum.

Mögliche Fragen: Wie entscheidet ihr, wann und wie viel ihr z. B. für Englisch lernt? Wer überprüft, ob ihr auch alles verstanden habt, was ihr euch angeeignet habt? Wer hat entschieden, dass ihr diese Schule besuchen dürft? Welche Schwierigkeiten hattet ihr in eurer "alten" Schule? Habt ihr noch Kontakt zu Mitschülern aus der "alten" Schule? Welche Aufgaben haben die Lehrer hier? Wann habt ihr mit ihnen zu tun? Wie regelt ihr, wer z. B. den Laptop benutzen darf?

Das Gespräch wird sicher stark durch eigene Erfahrungen und Wünsche der Schüler beeinflusst bzw. gelenkt.

Seite 31

2. a) Hier sollen die Schüler simulativ handeln und die von ihnen als notwendig erachteten Bestandteile von Schule in einen organisatorischen Ablauf bringen, der ihnen gefällt. Mögliche Ansätze, siehe M2.

b) Die Veränderungswünsche hängen natürlich von den Bedürfnissen der einzelnen Schüler ab.

c) Der Bereich "Unterricht" gehört direkter enger zum Bereich des besseren Lernens, aber auch ein Wohlfühlen in der Schule allgemein fördert natürlich die Lernsituation. An beiden Stellen gibt es in der Regel immer Handlungsspielräume.

d) Hier sollen die Schüler möglichst realistisch einschätzen, was umsetzbar ist und was aus welchen Gründen leider nicht. Mit der Einsicht, dass einige Rahmenbedingungen für die eigene Schule wirklich nicht umsetzbar sind, wird der Ärger/die Enttäuschung darüber geringer sein.

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Aufgabe Seite 33

1. Hier sollen die Schülerinnen und Schüler dazu angehalten werden, methodisch mit Interviews zu arbeiten. Am besten lesen zunächst alle Schüler die Texte durch und machen sich stichpunktartig Notizen. Anschließend sollen die Antworten mündlich und in eigenen Worten gegeben werden.

Seite 33

a) Wünsche aus M2:
Unterricht: mehr Sport, mehr Computer/Computerraum, keine Prüfungen, eigenes Lerntempo, Ganztagsschule, Projektunterricht
äußere Bedingungen: Klettergerüst, Fußballtore, Kiosk, Autoscooter
soziale Bedingungen: alle verstehen sich, Tutorensystem (ein Lehrer pro Schüler als Ansprechpartner), stärkerer Einfluss der Schüler (Entscheidungen durch Schulvollversammlung), stärkerer Austausch mit anderen Klassen

Verwirklichung dieser Wünsche - auch im Ansatz:

in M3:
Tutorensystem, d.h. häufige Gespräche zwischen Schülern, Eltern und Lehrer (auch durch ein festes Lehrerteam, das die Klasse betreut, sowie durch "Lernverträge" gewährleistet)
Ganztagsschule
Relativ viel Freizeit bzw. längere Pausen mit vielseitigem Angebot an Sport-AGs

in M4:
Unterstützung der Persönlichkeitsentwicklung
Verpflichtung zu einem freundlichen und friedlichen Miteinander

in M5:
Ganztagsschule von 9.30 bis 16 Uhr, nach jeder Unterrichtsstunde folgen 15 Minuten Pause
Keine Trennung nach Leistung, bis zur 9. Klasse gemeinsamer Unterricht
Unterricht in Kleingruppen oder Einzelförderung möglich, differenzierte Hausaufgabengestaltung (individuelles Lerntempo)
Ausreichende Lehrerberatung vorhanden, da die Möglichkeit besteht, einen Schulhelfer heranzuziehen
Kein Wiederholen einer Klasse, kein Notendruck

b) Besondere - auch individuelle - Förderung der einzelnen Schülerpersönlichkeit, hoher kommunikativer Austausch zwischen Schülern und Lehrern (und auch Eltern), Ganztagsbetreuung mit der Möglichkeit gemeinsamer Pausen- und Freizeitgestaltung, Kostenfreiheit, welche auch die soziale Ausgewogenheit fördert, d.h. Schüler aus unterschiedlicher sozialer Herkunft können die Schule besuchen

2. Vgl. Schülerergebnisse; möglicherweise könnte noch Vermerke über "Gesprächstermine", "Verstöße gegen Vertrag", "Besondere Anerkennungen" aufgenommen werden.

3. a) Mögliche Vorschläge: Zuerst z.B. vierwöchige Probephase mit Eigenkontrolle ansetzen, dann eine erste Evaluation durchführen: Wo treten gehäuft Probleme auf? Wie kann man diese lösen? Möglichst viele Ansprechpartner bzw. Lehrer zur Verfügung stellen, die man unmittelbar bei auftretenden Problemen, den Lernvertrag einzuhalten, um Hilfe bitten kann.

b) Mögliche Vorschläge: zuerst Gespräch mit Vertrauenslehrer oder Klassensprecher, um Ursachen der mangelhaften Pflichterfüllung herauszufinden und daran zu arbeiten; bei wiederholter Missachtung der Pflichten ein Gespräch mit Eltern führen; stattdessen oder ergänzend könnte in einer Klassenversammlung über den Schüler und Unterstützungsmöglichkeiten beraten und ggf. auch über Sanktionen abgestimmt werden; zuletzt Gespräch mit der Schulleitung.

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Aufgaben Seite 34

1. Hier geht es um eine Vorübung zur Internetrecherche. Der methodisch-kritische Blick auf das Medium wird angeregt.

Seite 34

  • Ganztagsschule mit Mittagessen, sechsstufige Realschule mit naturwissenschaftlich-mathematisch-technischem Zweig (und den entsprechenden Abschlussfächern); Ziele: fachlich: Berufsvorbereitung, sozial: Hilfsbereitschaft, Mitverantwortung; diese werden auch auf Eltern und Lehrer übertragen, z.B. wird erwartet, dass Eltern spenden und Lehrer auf Gehalt verzichten, um das Schulgeld bedürftiger Schüler zu sichern. Die Höhe des Schulgelds wird mit "kostendeckend" umschrieben, d.h. eine konkrete Summe wird nicht genannt. Es wird darauf hingewiesen, dass die Schule gemeinnützig ist und keinen Gewinn anstrebt.
  • Das Schulgebäude wird von außen gezeigt, es wirkt - blauer Himmel, älteres Schulgebäude - eher idyllisch. Die Informationen sind verständlich formuliert, der Text überwiegt. Konkrete Informationen über einzelne Fächer, Unterrichtsräume und Schulaktivitäten findet man nicht.
  • Vgl. Schülerergebnisse; hier können auch die Kriterien aus Kapitel 1.2 herangezogen werden (Vergleich der drei SV-Homepages)

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1. Privatschule, staatliche Schule, Schulverbund, Schulgeld, staatlich genehmigte Privatschule, staatlich anerkannte Privatschule, Schulgründung, Schulführung, Betreuungszeiten
Isar-Realschule, Isar-Gymnasium, konfessionelle Schule, Freie Waldorfschule, Freie Alternativschule, Vereinigung der Landeserziehungsheime, Verband Deutscher Privatschulen (VDP)

2. Vgl. Schülerergebnisse bzw. Internetadressen im Vorspann; in überregionalen Zeitungen finden sich häufig in der Wochenendausgabe oder vor den Sommerferien Anzeigen von Privatschulen.

3. Aktuelle Liste der Suchmaschinen unter www.suchmaschinen.de; populäre Suchmaschinen u.a. www.google.com oder www.lycos.de
Zu den Aufgaben 1 bis 3 bietet folgende Internetadresse sehr gute Informationen, v.a. auch zu Suchmaschinen: www.focus.de/schule/lernen/notenturbo/tid-18319 (Kathrin Breer, Referate - richtig recherchieren lernen, Mai 2010)

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Zusatzmaterial

Als Hintergrund zur Arbeit der Schule "De Kampanje", die in M1 bearbeitet wird, dient folgender Text.

Z1: Wie es euch gefällt

Es gab eine Zeit, da hat Willemijn Hartkamp, Schülerin im holländischen Amersfoort, ganze Schultage lang aus dem Fenster gestarrt. "Die Lehrer haben mir nichts zugetraut, ich hatte schlechte Noten, und in der Klasse war ich nicht gerade beliebt", erzählt die 16-Jährige. "Ich war kurz davor, depressiv zu werden." Damals begann eine große Diskussion im Haus der Familie Hartkamp: Was ist denn eigentlich Lernen? Und wie müsste die ideale Schule aussehen?
Am Ende stand der Entschluss, eine eigene Schule zu gründen. Eine Schule nach dem Sudbury-Modell, deren erste 1968 in den USA, im Sudbury-Tal von Massachusetts, eröffnet wurde. Dort entscheiden die Schüler selbst, was und wie sie lernen. Es gibt keine Noten, keine Klassen und Unterricht nur dann, wenn die Schüler es wünschen. Sie haben die gleichen Rechte wie die Lehrer. […]
 
Zu den wenigen "demokratischen Schulen" hierzulande gehört die Neue Schule Hamburg, mitbegründet von der Sängerin Nena, die sich ebenfalls an Sudbury orientiert - und prompt in die Kritik geraten ist. Von prügelnden Schülern und großem Durcheinander war die Rede. Die Schulgründer beteuern, Gewalt werde auf keinen Fall toleriert. Und die Erziehungswissenschaftlerin Tanja Pütz von der TU Dortmund, die die Schule wissenschaftlich begleitet, betont, im Laufe des ersten Schuljahrs seien viele verbindliche Regeln entstanden. "Von Regellosigkeit kann nicht gesprochen werden."

Auch als die Hartkamps und ihre Mitstreiter vor eineinhalb Jahren ihre neue Schule "De Kampanje" im Flügel eines alten Klosters eröffneten, war die Skepsis zunächst sehr groß. Wie sollen Kinder lernen, wenn ihnen niemand eine Richtung vorgibt? "Jeder Mensch trägt die Motivation zu lernen in sich, wenn man ihn lässt", argumentieren die Sudbury-Anhänger. Die andere Sorge: Sowas muss im Chaos enden!
Die Kampanje beweist allerdings bisher das Gegenteil. Entspannt und freundlich geht es hier zu. […] Ein Junge arbeitet am Computer, ein Mädchen spielt Gitarre, ein paar Kinder toben draußen. Ordentlich ist es, in der Sitzecke, auf den Arbeitstischen, genauso in der Chemie-Abteilung. Denn für alles hier gibt es Regeln - nachzulesen in einem dicken Ordner, vom Grundsätzlichen (niemand darf einem anderen Gewalt zufügen) bis zum Speziellen: In der Schule wird nicht gerannt, und wer die Kaffeemaschine benutzen will, muss ein Zertifikat erwerben.

Willemijn geht summend durch die Räume. Das Lernen ist für sie nun tatsächlich ein Vergnügen. Mit Hilfe von Harry Potter und einem Wörterbuch hat sie Englisch gelernt. Kein Schulgong hat sie unterbrochen. Jetzt brennt sie für ein neues Projekt: Gemeinsam mit anderen will sie ein Musikfestival organisieren. Ein Ort muss gefunden werden, ein Termin, die Bands, die Finanzierung. Es ist diese Art von Lernen, um die es an der Kampanje geht, aus eigener Begeisterung heraus, mit Aufgaben aus dem Leben. Glaubt man dem Neurobiologen Gerald Hüther, ist dies der einzig wirkungsvolle Weg. "Lernen ist nur nachhaltig, wenn es erfahrungsbasiert ist. Das ganze Auswendiglernen kann man vergessen", sagt Hüther.

Auch die anderen Schüler schätzen ihre Freiheit und ihre Verantwortung: Linda konnte irgendwann lesen und weiß selbst nicht genau, wie sie es gelernt hat. Patricia studiert Niederländisch, freiwillig, weil es sie interessiert und natürlich auch, weil es ihr später nützen könnte. Das Mädchen lernt mit Hilfe eines Internetprogramms, manchmal fragt sie Lehrer, die hier Mitarbeiter heißen, oder Mitschüler, oder sie liest ein Buch. "Die Schüler wählen ganz unterschiedliche Wege, um an Wissen zu kommen", sagt Anjo Snijders, einer der Mitarbeiter.

Joshua ist bereits an drei Schulen gescheitert. Gelernt hat er an keiner, dafür hat er die Mitschüler gestört, bis schließlich die Diagnose ADHS - Aufmerksamkeitsstörung und Hyperaktivität - gestellt wurde und Joshua Medikamente bekam. Heute ist er immer noch lebhaft, manchmal anstrengend, aber er hat seinen Platz und seinen Weg gefunden. Die Medikamente hat er abgesetzt und die Prüfung für einen staatlichen Schulabschluss abgelegt. Mehr Freiheit, mehr Kompetenzen.

Dass Kinder, wenn sie selbst mitbestimmen können, besser lernen, sagt auch der Erziehungswissenschaftler Hans Brügelmann. "Außerdem eignen sie sich Kompetenzen wie Entscheidungsfähigkeit oder Verantwortungsbewusstsein an, die für ihr späteres Leben überaus wichtig sind." Hoffnungsfroh beobachtet Brügelmann, dass Ideen der demokratischen Schulen mittlerweile auch von staatlichen Einrichtungen, wenn auch noch zaghaft, aufgegriffen werden. Renate Lange, Vorsitzende der Sudbury-Initiative München, sagt, sie sei optimistisch, im nächsten Jahr mit einer Schule starten zu können.

Studien zu dem Modell und seinen Erfolgen oder Misserfolgen gibt es bisher kaum. Eine der wenigen Untersuchungen stammt von dem Kölner Erziehungswissenschaftler Falko Peschel, der Konzepte für den "offenen Unterricht" entwickelt hat. Peschel hat eine Grundschulklasse, in der offener Unterricht angewendet wurde, vier Jahre lang begleitet. Die Kinder lagen in ihren Leistungen deutlich über dem Durchschnitt.

An der Kampanje wird die Mitbestimmung durch die wöchentliche Schulversammlung garantiert, bei der jeder eine Stimme hat. Alles Wichtige wird hier entschieden. Und jeden Morgen um elf tagt ein "Justizkomitee", das Regelverstöße ahndet und freundlich, aber bestimmt Strafen verhängt. Das kann eine Viertelstunde Putzen sein oder ein Raumverbot.

Die Schulzeit endet mit dem Sudbury-Diplom, daneben erwerben viele Schüler aber auch andere, externe Abschlüsse. Ihre wichtigste Referenz seien sie selbst, sagt Regina Leeb, die nach ihrem Abitur in Deutschland für ein Jahr an eine australische Sudbury-Schule ging. Sudbury-Schüler hätten nie große Probleme gehabt, auf eine Uni zu kommen oder wohin sie auch immer wollten. Wer die Absolventen erlebe, merke schnell, "dass sie selbstbewusst sind und dass sie wissen, was sie tun". Die Sudbury-Valley-Schule in Massachusetts hat vor drei Jahren eine Studie veröffentlicht, in der sämtliche Ehemalige der letzten 40 Jahre befragt wurden. Mehr als 80 Prozent haben eine akademische Laufbahn eingeschlagen, die meisten erklärten, mit ihrem Leben zufrieden zu sein.

Von: Simone Kosog
auf: http://www.sueddeutsche.de (21.9.2008)

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