Volltext anzeigen | |
Christentum und Römisches Reich 35 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 M7 Wie sollen Christen behandelt werden? Der römische Statthalter Plinius der Jüngere (siehe M5, Seite 12) wendet sich um 111 in einem Brief an Kaiser Trajan mit der Frage, wie er gegen die Christen vorgehen soll: An Verhandlungen gegen Christen habe ich noch niemals teilgenommen. Daher weiß ich nicht Bescheid über Art und Ausmaß der üblichen Bestrafung wie auch der Untersuchung. Auch bin ich über Folgendes ziemlich im Zweifel: […] Erhält der Reuige Verzeihung, oder nützt es einem, der einmal Christ war, nichts, wenn er abschwört? Wird schon der Name an sich bestraft, auch ohne Verbrechen, oder werden die mit dem Namen verbundenen Verbrechen bestraft? Einstweilen bin ich bei den Leuten, die mir als angebliche Christen angezeigt wurden, folgendermaßen verfahren. Ich habe sie gefragt, ob sie Christen seien. Die Geständigen fragte ich unter Androhung der Todesstrafe ein zweites und ein drittes Mal. Diejenigen, die hartnäckig darauf beharrten, ließ ich zur Hinrichtung abführen. Denn darüber bestand für mich kein Zweifel: Was es auch sein mochte, das sie zu gestehen hatten – ihr Starrsinn und ihre trotzige Verstocktheit verdienten auf jeden Fall Bestrafung. […] Mir wurde eine anonyme Klageschrift mit zahlreichen Namen zugestellt. Es gab nun welche, die leugneten, Christen zu sein oder jemals gewesen zu sein. Sie riefen, meinem Bespiel folgend, die Götter an und opferten Deiner Statue, die ich mit den Götterbildern zusammen zu diesem Zweck hatte herbeibringen lassen, Weihrauch und Wein. Außerdem lästerten sie Christus, und zu all dem lassen sich, so heißt es, wahre Christen nicht zwingen. Diese Leute also glaubte ich freilassen zu müssen. Andere in dieser Anzeige Genannte bezeichneten sich zunächst als Christen, dann widerriefen sie aber. Sie seien es zwar gewesen, hätten sich jedoch wieder abgewandt […]. Sie versicherten aber, ihre ganze Schuld oder ihr Irrtum habe in Folgendem bestanden: Gewöhnlich seien sie an einem bestimmten Tag vor Sonnenaufgang zusammengekommen und hätten Christus als ihrem Gott einen Wechselgesang gesungen. Durch einen 1) Diakon („Diener“): Gemeindehelfer, der karitative Tätigkeiten ausübt feierlichen Eid hätten sie sich nicht etwa zu irgendeinem Verbrechen verpflichtet, sondern dazu, keinen Diebstahl, keinen Raub und keinen Ehebruch zu begehen, kein gegebenes Wort zu brechen, kein zur Verwahrung anvertrautes Gut abzuleugnen. […] Umso notwendiger erschien es mir, von zwei Mägden, die als Diakonissen1) bezeichnet wurden, durch ein Geständnis auch auf der Folter die Wahrheit zu erfahren. Ich fand aber nichts anderes als einen verworrenen, maßlosen Aberglauben. Kaiser Trajan antwortet: Bei Deinem Vorgehen gegen Personen, die Dir als Christen angezeigt worden sind, hast Du, mein lieber Secundus, den richtigen Weg eingeschlagen. Es lässt sich nämlich insgesamt überhaupt nichts festlegen, was gleichsam als Richtschnur dienen könnte. Aufspüren soll man sie nicht. Wenn sie aber vor Gericht gestellt und überführt sind, dann sind sie zu bestrafen. Dabei gilt jedoch Folgendes: Wer leugnet, Christ zu sein und dies durch die Tat beweist, also durch ein Opfer vor unseren Göttern, der soll aufgrund seiner Reue Verzeihung erhalten, mag sein Vorleben auch noch so verdächtig sein. Anonyme Anklageschriften aber dürfen bei keiner Straftat Berücksichtigung finden. Denn das gäbe ein äußerst schlechtes Beispiel und entspräche nicht dem Geist unseres Zeitalters. Erster Text: C. Plinius Caecilius Secundus, Briefe, 10, 96, nach: Ders., Sämtliche Briefe, übersetzt und herausgegeben von Heri bert Philips und Marion Giebel, Stuttgart 1998, S. 782–787 Zweiter Text: ebd., 10, 97, S. 788 f. 1. Nennen Sie die Kenntnisse, die Plinius über das Christentum hat, und beurteilen Sie, inwieweit sie zutreffen. 2. Beschreiben Sie, wie Plinius mit den Christen verfährt und wie er sein Vorgehen gegen die Christen begründet. 3. Erwägen Sie, welche Gründe Kaiser Trajan für seine Antwort gehabt haben könnte. Nu r z u Pr üf zw ck en Ei ge nt u d s C .C .B uc hn er Ve rla gs | |
![]() « | ![]() » |
» Zur Flash-Version des Livebooks |