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75 Q2 Im Garten einer Bürgervilla Foto um 1910. 1. Trage zusammen, welche Schwierigkeiten sich im Zusammenleben einer Arbeiterfamilie ergeben konnten (Q 3). 2. Vergleicht die Lebensbedingungen der Kinder. Berücksichtigt dabei Familiengröße, Wohnort, Wohnsituation, Kleidung und andere Auffälligkeiten (Q 2 und Q 5). 3. Vergleiche die Ernährungssituation zwischen Bürgerund Arbeiterfamilie (Q 3, Q 4). Welche Folgen hatte die Ernährung der Arbeiter? 4. Auch in unserer Gesellschaft unterscheidet man zwischen Ober-, Mittelund Unterschicht. Wer gehört heute zu diesen Schichten? Vergleiche mit dem Kaiserreich. Q3 Kinheitserinnerungen (1) Max ist Sohn eines Ackerknechts und einer Tagelöhnerin in der Gegend von Riesa, ca. 65 km östlich von Leipzig: Gewöhnlich an Sonnabenden ging ich mit dem Tragekorb auf dem Rücken in die eine Stunde entfernt liegende Stadt, um Erbsen, Bohnen, Linsen, Graupen1 und Hirse für die ganze Woche einzukaufen und vielleicht auch ein halbes Pfund Pferdegehacktes mitzubringen. Daraus machte die Mutter durch reichliches Zusetzen von aufgeweichtem harten Brot einen Sonntagsbraten. Diese Sonntage, an denen es Fleisch gab, waren so selten, dass wir Kinder tatsächlich glaubten, es sei überhaupt ein Verbrechen, wenn arme Leute Fleisch essen, und sie dürften das nur ganz im Geheimen tun. Es kam oft vor, dass meine Mutter, um uns nicht tagelang hungern zu lassen, auf folgenden Ausweg verfi el: Mit zwei Pfennigen musste ich zu dem einzigen Dorfbäcker gehen und ihm vorschwindeln, ein Bettler schicke mich, ich solle für diesen Zweier hartgewordenes Brot holen. Wir schämten uns, zu sagen, dass wir das Brot für uns selbst haben wollten. Von diesem fast knochenharten Brot, für das der Bäcker sonst keinen Käufer fand, gab er für einen Zweier etwa 1 – 2 Pfund, während sonst das Brot ungefähr 14 bis 15 Pfennige kostete. Davon kochte und die Mutter dann eine einfache Suppe. Nach: W. Emmerich (Hrsg.): Proletarische Lebensläufe, Bd. 1: Anfänge bis 1914, Reinbek 1974, S. 308 und 307 1 Graupen: geschälte, polierte Gerstenoder Weizenkörner Q4 Kindheitserinnerungen (2) Täglich kamen der Milchmann mit seinen scheppernden Milchkannen, der Bäckerjunge im weißen Kittel mit Broten (die Semmeln1 hatte er schon in aller Frühe an die Gartentür gehängt), der kräftige Metzgerbursche mit einem großen hölzernen Trog auf der Schulter, aus dem er jedem Haushalt das bestellte Stück Fleisch zuteilte. Jede Woche erschien die Hühnerfrau […]. Schon als Kinder wurden wir häufig zum Kaufmann, dem Kolonialwarenhändler, geschickt. Es sah dort genauso aus wie in den Puppenstuben, die heute in den Museen stehen. Die Wand hinter der Theke bestand aus großen Schubkästen mit Aufschrift wie Reis, Kaffee, Mehl; in Fässern sah man Gurken und Heringe, in Säcken Kartoffeln, in Töpfen Honig, Schmalz und Pflaumenmus. Alle Ware wurde auf der Waage abgewogen, auch Salz, Butter, Öl oder Honig. Man konnte für fünf Pfennig Rosinen kaufen und für zehn Pfennig Sauerkraut, sogar für einen oder zwei Pfennig eine kleine spitze Tüte mit Bonbons. R. Pörtner (Hrsg.): Kindheit im Kaiserreich, Düsseldorf 1987, S. 46 1 Semmeln: bayerische/österreichische Bezeichnung für Brötchen 5 10 15 20 25 5 10 15 20 Lesetipps: Gabriele Beyerlein: Berlin, Bülowstraße 80a, Stuttgart 2007 (Roman um die adlige Sophie, die gegen den Willen ihrer Mutter einen Bürgerlichen heiratet und deren Tochter entgegen allen Normen der Zeit Medizin studieren möchte) Q5 Arbeiterwohnung in Berlin Foto von 1907. Vater, Mutter, Großmutter und zehn Kinder leben in einer Wohnung mit einem Zimmer und einer Küche. N u r zu P rü fz c k e n E ig e n tu m d e s C .C . B u c h n e r V e rl a s | |
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