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49 Gewissensbisse Alvaro erzählte: „Als ich neulich mit meiner Mutter im Su permarkt war, hatten sie gerade Tennisbälle im Son derangebot, und da hab ich mal einen mitgehen lassen. Niemand hat das gemerkt, und ich hab natürlich auch nicht be zahlt.“ [...] „Wie hast du dich denn ge fühlt, als du den Tennisball in der Tasche hattest?“, fragte Manu el. „Naja, ich hatte schon Gewissensbisse, das heißt, ich fühlte mich irgendwie schuldig. Es war auf jeden Fall ein schlechtes Gefühl, jedenfalls für Momente, aber auf der anderen Seite war ich letztlich auch zufrieden, weil ich ja den Ball so leicht bekommen hatte.“ „Wenn du Ge wis sensbisse hattest, dann ist das doch ein An zeichen dafür, dass du etwas getan hast, was nach deinen eigenen Begriffen schlecht war“, sagte Gloria. „Das sehe ich anders“, entgegnete Sebastian. „Es stimmt zwar, dass sich manchmal das Gewissen be merk bar machen kann, aber wenn die Vorteile nur groß genug sind, spielt das bei den meisten Menschen keine Rolle mehr. Wenn viel Geld auf dem Spiel steht, werden alle ihr Gewissen schnell vergessen.“ „Ja, das glaube ich auch“, sagte Alvaro. „Wenn die Men schen öfter stehlen, hören sie ihr Ge wis sen im mer weniger. Das ist ihnen dann ganz egal.“ nach Ernst Tugendhat, S. 35-36 A3 a) Fasse die verschiedenen Standpunkte zu sam men. b) Stellt die Situation in einem Rollenspiel dar. Er gänzt die Dialoge durch weitere Argumente. c) Sammelt Beispiele für die Meinungen, die Sebastian und Alvaro vertreten. schon überlegt, ob ich mich bei den Auto be sitzern entschuldige, aber andererseits müsste ich dann natürlich auch die Spiegel bezahlen, und das ist ja wahrscheinlich ziemlich teuer. Scheiße! www.gewissen.de 5 10 15 20 25 10 5 10 15 20 25 Freiheit und Gewissen Woher kommen die Gewissensbisse? Für mich ist das ganz klar: aus unserer Freiheit. Wenn wir nicht frei wären, könnten wir uns für nichts schuldig fühlen (und natürlich auch nicht stolz) und würden die Ge wissensbisse vermeiden. Deshalb versuchen wir, wenn wir wissen, dass wir etwas Schändliches getan haben, uns damit zu rechtfertigen, dass wir nicht anders han deln konnten, dass wir nicht wählen konnten: „Ich habe nur die Befehle meiner Vorgesetzten ausgeführt“, „Alle machen es genauso“, „Ich habe den Kopf verloren“, „Es ist stärker als ich“, „Ich war mir nicht be wusst, was ich tat“. Genauso schreit der kleine Junge weinend, wenn das Mar meladenglas, das er oben aus dem Regal holen wollte, zu Boden fällt und zerbricht: „Ich bin es nicht gewesen!“ Er schreit es genau deshalb, weil er weiß, dass er es gewesen ist; wäre es nicht so, würde er sich nicht die Mühe ma chen, etwas zu sagen, und würde vielleicht sogar lachen. Wenn er dagegen etwas sehr Schönes gemalt hat, erklärt er sofort: „Ich habe es ganz allein gemacht, niemand hat mir geholfen!“ Genauso wollen wir als Erwachsene immer frei sein, das Verdienst für das, was wir erreicht haben, uns selbst zuschreiben, aber wir be ken nen uns lieber als „Sklaven der Um stände“, wenn unsere Handlungen nicht sonderlich glorreich sind. Fernando Savater, S. 86-87 A4 a) Erkläre in eigenen Worten, wie Freiheit und Gewissen zusammenhängen. b) Oft versuchen wir unsere Freiheit zu leugnen. Welche Gründe bewegen uns dabei? Gewissen A2 a) Besprecht in Gruppen die Fallbeispiele. Welchen Rat würdet ihr den Betroffenen jeweils geben? b) Wie entsteht das schlechte Gewissen? c) Stellt euch Gewissenskonflikte vor, die in eurem schulischen oder familiären Alltag entstehen könnten. Schreibt entsprechende Fallgeschichten und diskutiert darüber. 6645_1_4_2014_kap 2_layout 4 21.10.16 10:41 Seite 49 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C .B uc h er V rla gs | |
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