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101Vertiefung – Mit Material arbeiten Vertiefung M3 Im Dienst. Foto, um 1912. Dienstmädchen M1 „Früh aufstehen …“ Aus dem Arbeitsplan eines Dienstmädchens, um 1900: Sie muss um 6 Uhr früh aufstehen […], muss Feuer machen, Heißwasser besorgen, Essund Herrenzimmer reinigen, erstes Frühstück kochen, die Kinder anziehen helfen und in die Schule besorgen, Schuhe und Kleider reinigen, Kinderund Schlafzimmer säubern und in Ordnung bringen, einholen – das ist noch eine Erholung, denn im Grünkramladen, beim Schlächter und beim Kolonialwarenhändler wird meist ein wenig geschwatzt –, Gemüse und Obst putzen, Mittag bereiten, Fleisch und Speisen braten, servieren – und nach dem Essen sofort abwaschen. Nur in ganz wenigen Familien darf das Mädchen sich beim Essen ein wenig aus ruhen. Gewöhnlich muss sie sofort Kaffee kochen, dann die Küche auf wischen und ordnen und nachher sofort Strümpfe stopfen, kleine Stücke waschen und plätten, einkochen oder mit den Kindern spazieren fahren […]. Nach der Ausfahrt heißt es Abendbrot besorgen, decken, abräumen und abwaschen […]. Und dann nur alle 14 Tage „freien Sonntag“, d.h. einen Nachmittag lang von 4 bis 10 Uhr darf sie ausgehen, darf sie Schritte machen, die nicht von anderen befohlen sind. Hans Ostwald, Kulturund Sittengeschichte Berlins, Berlin 1910, S. 313f. (gestrafft) 5 10 15 20 25 M2 Türschild. Foto aus Berlin, um 1900. M4 „Allein in der Küche“ Anneliese Neef, die die Lebensund Arbeitsbedingungen von Dienstboten um 1900 untersucht hat, schreibt: Ebenso wurde an der Nahrung der Dienstmädchen gespart. Sie bekamen Reste, verdünnte Suppe, Brot und Aufstrich knapp zugeteilt. Der Speiseschrank wurde miss trauisch vor ihnen verriegelt. Kochbücher der „besseren bürgerlichen Küche“ führten gesonderte Rubriken mit billigen „Speisen für den Dienstboten“. Lebensmittelge schäfte preisen extra preiswerten „Dienstboten kaffee“ an – einen minderwertigen Schund aus Bruch und Abfällen […]. So berichtete Stillich*: „Das Mädchen speist allein in der Küche. Sie nimmt ihre Mahlzeiten stumm ein. Für sie existiert kein gedeckter Tisch, mitunter nicht einmal ein Stuhl zum Sitzen. In der Enquete** haben nur zwei Herrschaften besonders hervorgehoben, dass sie mit ihren Mädchen zusammen essen.“ Anneliese Neef, Mühsal ein Leben lang. Zur Situation der Arbeiterfrauen um 1900, Berlin 1988, S.48f. *Stillich: Die Verfasserin bezieht sich hier auf eine Veröffentlichung des Wissenschaftlers Oscar Stillich von 1902. **Enquete: Untersuchung 5 10 15 20 M5 „Wie in einen Backofen“ Theodor Fontane lässt in seinem 1898 erstmals veröffentlichten Roman „Der Stechlin“ ein Dienstmädchen Folgendes über ihre Schlafstätte, einem „Hänge boden“, berichten: Immer sind sie [die Hängeböden] in der Küche, mitunter dicht am Herd oder auch gerade gegen über. Und nun steigt man auf eine Leiter und wenn man müde ist, kann man auch runterfallen. Aber meistens geht es. Und nun macht man die Tür auf und schiebt sich in das Loch hinein, ganz so wie in einen Back ofen. Das is, was sie ’ne Schlafgelegenheit nennen. Und ich kann Ihnen bloß sagen: Auf einem Heuboden is es besser, auch wenn Mäuse da sind. Und am schlimmsten is es im Sommer. Draußen sind dreißig Grad und auf dem Herd war den ganzen Tag Feuer; da is es dann, als ob man auf den Rost gelegt würde. So war es, als ich nach Berlin kam. Aber ich glaube, sie dürfen jetzt so was nich mehr bauen. Polizeiverbot. Theodor Fontane, Der Stechlin, München 1969, S. 152 5 10 15 1. Stellt euch vor, ihr hättet eine Stellung als Dienstmädchen übernommen. Schreibt euren Eltern, wie euer Alltag aussieht. Nutzt dazu M1 bis M5. 2. Diskutiert die Behauptung, dass durch die Dienstmädchen die Unterschichten langfristig eine bürgerliche Lebens weise übernahmen. 5Lesetipp: Gabriele Beyerlein, In Berlin vielleicht, Stuttgart 2005 4453_098_108 06.06.14 11:27 Seite 101 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C . B uc hn er V er la gs | |
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