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(I.5) Saal beim Präsidenten. Der PRÄSIDENT, ein Ordenskreuz um den Hals, einen Stern an der Seite, und Sekretär WURM treten auf. PRÄSIDENT. Ein ernsthaftes Attachement1! Mein Sohn? – Nein, Wurm, das macht Er mich nimmermehr glauben. WURM. Ihro Exzellenz haben die Gnade, mir den Beweis zu befehlen. PRÄSIDENT. Dass er der Bürgerkanaille2 den Hof macht – Flatterien3 sagt – auch meinetwegen Empfindungen vorplaudert – das sind lauter Sachen, die ich möglich finde – verzeihlich finde – aber – und noch gar die Tochter eines Musikus, sagt Er? WURM. Musikmeister Millers Tochter. PRÄSIDENT. Hübsch? – Zwar das versteht sich. WURM (lebhaft). Das schönste Exemplar einer Blondine, die, nicht zu viel ge sagt, neben den ersten Schönheiten des Hofes noch Figur machen würde. PRÄSIDENT (lacht). Er sagt mir, Wurm – Er habe ein Aug auf das Ding – das find’ ich. Aber sieht Er, mein lieber Wurm – dass mein Sohn Gefühl für das Frauenzimmer hat, macht mir Hoffnung, dass ihn die Damen nicht hassen werden. Er kann bei Hof etwas durchsetzen. Das Mädchen ist schön, sagt Er; das gefällt mir an meinem Sohn, dass er Geschmack hat. Spiegelt er der Närrin solide Absichten vor? Noch besser – so seh’ ich, dass er Witz genug hat, in seinen Beutel zu lügen. Er kann Präsident werden. Setzt er es noch dazu durch? Herrlich! das zeigt mir an, dass er Glück hat. – Schließt sich die Farce mit einem gesunden Enkel – unvergleichlich! so trink’ ich auf die guten Aspekte meines Stammbaums eine Bouteille Malaga4 mehr und bezahle die Skortationsstrafe5 für seine Dirne. [... zu Wurm, dem dieser Gedanke nicht gefällt:] Tröst’ Er sich mit dem hiesigen Adel – wissentlich oder nicht – bei uns wird selten eine Mariage6 geschlossen, wo nicht wenigstens ein halb Dutzend der Gäste – oder der Aufwärter7 – das Paradies des Bräutigams geometrisch ermessen kann. WURM (verbeugt sich). Ich mache hier gern den Bürgersmann, gnädiger Herr. PRÄSIDENT. Überdies kann Er mit Nächstem die Freude haben, seinem Nebenbuhler den Spott auf die schönste Art heimzugeben. Eben jetzt liegt der Anschlag im Kabinett8, dass, auf die Ankunft der neuen Herzogin, Lady Milford zum Schein den Abschied erhalten und, den Betrug vollkommen zu machen, eine Verbindung eingehen soll. Er weiß, Wurm, wie sehr sich mein Ansehen auf den Einfluss der Lady stützt – wie überhaupt meine mächtigsten Springfedern in die Wallungen des Fürsten hineinspielen. Der Herzog sucht eine Partie9 für die Milford. Ein Anderer kann sich melden – den Kauf schließen, mit der Dame das Vertrauen des Fürsten anreißen, sich ihm unentbehrlich machen – Damit nun der Fürst im Netz meiner Familie bleibe, soll mein Ferdinand die Milford heiraten – – Ist Ihm das helle? 5 10 15 20 25 30 35 40 177Umgang mit Texten und Medien: Das Zeitalter der Aufklärung als Grundlage des Sturm und Drang verstehen 1784 – Weltgeschichte: Fehlanzeige 1 Attachement: Liebesverhältnis 2 Kanaille: Luder 3 Flatterien: Schmeicheleien 4 Bouteille Malaga: Flasche Wein 5 Skortationsstrafe: Entschädigungszahlung 6 Mariage: Ehe 7 Aufwärter: Bedienstete 8 Kabinett: Beraterkreis des Herzogs 9 Partie: hier: Ehemann ➝ 4 K abale und L ieb e Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C . B uc hn e V er la gs | |
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