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Zentrale Themenund Bildbereiche untersuchen 1. Die folgenden mit dieser Abbildung gekennzeichneten Textausschnitte1 ge hören der Handlungs ebene um Josef Mazzini an, die gewissermaßen den Rah men um die Darstellung der historischen Ereignisse bildet und deshalb hier künftig als Rahmenhandlung be zeichnet wird. Erarbeiten Sie mit Bezug auf die folgenden zwei Textausschnitte die Be weg gründe für die Faszination, die die Eiswelt auf Mazzini ausübt. In den frühen Erzählungen der Mutter, einer geborenen Scarpa, war die Welt ein Album, in dem man blätterte. Lucia Mazzini versuchte ihren Sohn stets zu besänftigen. Sie erzählte viel. In den Nachmittagsstunden war die Gegenwart oft nichts als ein Arbeitsgeräusch, das in unregelmäßigen Abständen durch die Schiebetür drang; am Küchentisch aber war die Vergangenheit übermächtig und malerisch. Unter den Scarpas seien viele Seeleute gewesen, hieß es in den Erzählungen, Steuermänner, Kapitäne! Lorenzo etwa, der die Welt siebzehnmal umschifft hatte, als man ihn dann in Port Said erschlug, oder Antonio, der Urgroßonkel, Antonio Scarpa!, der sei mit einer österreichischen Expedition, die in Wahrheit fast nur aus italienischen Matrosen bestanden habe, sogar bis an den Nordpol gesegelt und habe dort ein Gebirge aus Eis und schwarzen Steinen entdeckt, ein strahlendes Land unter einer Sonne, die niemals untergegangen sei. Aber das Schiff, über und über mit Eiskristallen bedeckt, sei festgefroren und Antonio schließlich zu Fuß über ein erstarrtes Meer aus der Wildnis zurückgekehrt. Er habe viel dabei gelitten. Wenn die Mutter von Antonio Scarpas qualvollem Weg durch das Eis erzählte, schlug sie manchmal die Hände über dem Kopf zusammen und machte seltsame Augen. Italien war groß. Italien war überall! Und Lucia, die an ihrem Tapezierer aus Wien keine Freude mehr fand, tröstete sich und ihren Sohn damit. Der Schüler Mazzini wurde mit Helden vertraut. […] Ich nehme an, daß Mazzini damals begonnen hat (war er zwölf, war er jünger?) seine ersten, ungefähren Vorstellungen von der Arktis zum Bild einer kalten, gleißenden Welt der Ungeheuerlichkeiten zusammenzufügen; einer Welt, in deren beängstigender Leere einfach alles möglich war und von der man im Tapeziererhaus nur heimlich und ein bißchen altmodisch zu träumen wagte. Es war kein schönes Bild. Aber es war so mächtig, daß Mazzini es aus seiner Kindheit in die Jahre hinein mitnahm. (S. 16ff.) 227Umgang mit Texten und Medien: Einen postmodernen Roman erschließen Eiswelten Faszination und Grauen 5 10 15 20 25 1 Alle Textausschnitte sind in der Originalschreibweise Ransmayrs ab gedruckt. 2 Nu r z P rü fzw ec ke n Ei ge nt es C .C . B uc hn er V er la gs | |
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