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6. In den folgenden Textausschnitten befindet sich der Leser auf der historischen Handlungsebene, die Sie am Bild des Schiffes erkennen. Fassen Sie zusammen, welche Informationen Sie diesen drei Passagen über die Expedition und deren Schiff, die „Admiral Tegetthoff“, entnehmen können. Warten. Tage. Wochen. Warten. Monate. Jahre. Bis in die Verzweiflung hinein warten. Die Eisfalle wird sich nicht mehr öffnen. Nie mehr. Am vierzigsten Tag nach dem Auslaufen aus dem Hafen von Tromsö drängt das erstarrte Meer von allen Seiten an die Tegetthoff heran. Nirgendwo offenes Wasser. Die Tegetthoff ist kein Schiff mehr, eine Hütte, eingekeilt zwischen Schollen, eine Zuflucht, ein Gefängnis. […] Der Schnee, der fiel, war feinkörnig und hart. So treiben sie von nun an dahin auf ihrer Scholle, einer Eisinsel, die kleiner wird und wieder wächst und deren hölzernes Herz ihr Schiff ist; driften in eine blendende Leere, dann in die Dämmerung der polaren Nacht, in die Finsternis, nord, nordost, nordwest und wieder nord – ausgeliefert gänzlich unbekannten Meeresströmungen und der Tortur des Eises. Sie fahren auf nichts mehr zu. Alles drängt sich heran, kommt ihnen entgegen: zwei Jahre, in denen mehr als acht Monate die Sonne nicht aufgeht; die Verlassenheit und die Angst; eine Kälte, in der wärmende Wolldecken an armdick vereisten Kajütenwänden festfrieren; die Atemnot der Lungenkrankheiten; Erfrierungen an allen Gliedmaßen, deren tödliche Folgen Schiffsarzt Kepes nur durch die Qual einer Amputation abwenden kann; skorbutische Wucherungen des Zahnfleisches, die sie sich gegenseitig mit Scheren abschneiden und die zurückbleibenden Wunden mit Salzsäure verätzen; Wahnvorstellungen schließlich und Verzweiflung. (S. 86f.) Julius Payer entwirft ein Bild. Es ist ebenso unwahrscheinlich wie sanft: Unversehens würde sich um einen nackten, der arktischen Winterkälte schutzlos ausgesetzten Menschen eine Nebelwolke bilden, dem Mondhof gleich. Bei güns tigem Lichteinfall würden die Ränder dieser Wolke, die nichts wäre als die rasch verdunstende Körperfeuchtigkeit, in den Farben des Regenbogens leuchten: Blauviolett, Blau, Grün, Gelb, Orange und Gelbrot. Das allmähliche Verlöschen dieser Farbenbögen, Farbe um Farbe, entspräche den Stadien des Erfrierungstodes; ein Tod jenseits der Schmerzgrenze, sichtbar am Verschwinden des letzten, gelbroten Bogens. Das Sterben, ein Farbenspiel. (S. 90) 229Umgang mit Texten und Medien: Einen postmodernen Roman erschließen Eiswelten Faszination und Grauen 5 10 15 20 5 10 4 5 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C . B uc hn er V er la gs | |
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