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463 Theorie-Baustein: Historische Erinnerung Geschichte ist überall Geschichte ist ein doppeldeutiger Begriff. Er bezeichnet zum einen die Gesamtheit des Vergangenen, zum anderen die Vorstellungen von Vergangenheit. Letztere unterscheiden sich von dem Vergangenen und sind selbst auch dem Wandel der Zeit unterworfen. Die heutige Geschichtswissenschaft entstand, als sich die Vorstellung von Geschichte im Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert grundlegend änderte. Früher wurde angenommen, dass der Kern des Menschen unverändert bleibe und Geschichte daher in immer neuen Varianten zeige, wie der Mensch eigentlich sei. Jetzt ging man davon aus, dass der Mensch, aber auch sein Denken, Fühlen und seine Moral historischer Veränderung unterworfen ist. Es wurde nun nicht mehr die Meinung vertreten, Geschichten aus der Vergangenheit könnten der Gegenwart als Fallbeispiele für richtiges Handeln dienen. Vielmehr sollte anhand der Beschreibung der Vergangenheit gezeigt werden, wie sich die Welt im Laufe der Zeit verändert hatte. So konnte die Beschäftigung mit Geschichte dazu dienen, die Gegenwart besser zu verstehen (u M1). Die neue Vorstellung von der Vergangenheit (und damit auch von der Gegenwart) ging einher mit einer Professionalisierung von Geschichte. Als universitäre Wissenschaft etablierte sie bestimmte Verfahren (Methoden), die sicherstellen sollten, dass die über die Vergangenheit gemachten Aussagen nachprüfbar sind (u M2). Gleichzeitig wurde Geschichte dazu benutzt, um eine lange, glorreiche Vergangenheit der Nationalstaaten darzustellen. Sie wurde daher auch im 19. Jahrhundert ein wichtiges Schulfach. Ihre Bedeutung spiegelte sich aber auch in ihrer Rolle im privaten und öffentlichen Leben. Bis heute ist Geschichte überall: in Denkmälern, in Straßennamen, in Fernsehsendungen, in Zeitungsartikeln, in der Werbung usw. An der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit kommt keiner vorbei. Wie sich der Einzelne die Vergangenheit vorstellt, hängt dabei weniger von der Geschichtswissenschaft oder dem schulischen Geschichtsunterricht ab, sondern vielmehr von der Gesamtheit der Geschichtskultur1. i Kolumbus in der Innenstadt von New York City. Foto, um 1990. p Nennen Sie weitere Formen historischer Erinnerung und belegen Sie diese anhand konkreter Beispiele in diesem Band. Kompetenz: Funktion von und Umgang mit histo rischer Erinnerung analysieren und beurteilen 1 Zur Geschichtskultur siehe ausführlich den Theorie Baustein auf Seite 465 ff. i Kolumbus zum Kleben. Briefmarke aus Laos von 1983. 32015_1_1_2015_Kap4_442-469.indd 463 01.04.15 11:04 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C . B uc hn er V er la gs | |
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