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113Umgang mit Texten und Medien Berlin – Aspekte einer Metropole 200 Menschen an der Mauer ihr Leben gelassen haben. Und da machen die einen Rummelplatz draus.“ Das gilt auch für den früheren Grenz übergang der Alliierten. Der ehemalige Checkpoint Charlie hat etwas von Disneyland. Hier ist nichts echt. Das Wachhäuschen nicht und die Uniformierten schon gar nicht. Auch hier posieren verkleidete Soldaten für die Touristen. Gegen Bares wohlgemerkt. Pro Aufnahme wird ein Euro fällig. Die Idee dazu hatte Tom Luszeit. Der Schauspieler suchte 2003 einen Weg, sich sein Studium zu finanzieren. Inzwischen ist daraus ein lukratives Geschäft geworden. „Das ist doch nur Spaß“, beschwichtigt Sarah die Kritik, die in Berlin immer wieder am bunten Theatertreiben entlang des ehemaligen Grenzstreifens laut wird, und lächelt in die Kamera ihres Freundes. Dass ein paar Meter weiter eine Stahlsäule an Peter Fechter, den ersten Mauertoten, erinnert, weiß die 20jährige Touristin nicht. Und es interessiert sie auch nicht weiter. „Das ist doch alles ewig her.“ Sie stört vielmehr, dass Mauer, Todesstreifen und Befestigungsanlagen in Berlin fast komplett aus dem Stadtbild getilgt wurden. „Wie soll man sich den ‚Schrecken‘ denn vorstellen, wenn man nichts davon sieht“, sagt sie fast herausfordernd. Da stimmt ihr auch Christian zu, der am Brandenburger Tor noch immer versucht, seine Stadtrundfahrttickets an den Mann bzw. die Frau zu bringen. „Irgendwie hat man hier in Berlin damals nicht kapiert, dass die Mauer einmal zum Touristenmagnet werden könnte. Man hätte einfach ein-, zweihundert Meter so lassen sollen, wie sie waren.“ „Das wollte allerdings seinerzeit kaum jemand“, versichert Jörg Zintgraf. Er ist Geschäftsführer der „StattReisen Berlin GmbH“, die dem „Zoo-Effekt“, dem bloßen Betrachten historischer Stätten, thematische Führungen durch die Stadt entgegensetzt, vorzugsweise zu Fuß oder auch mit dem Fahrrad. „Anfang der 1990er Jahre wollten alle nur das Gefühl der Teilung loswerden und die meisten Berliner hat es wohl genervt, ständig mit dieser Mauer konfrontiert zu werden“, erklärt der gelernte Historiker. „Selbst als man sich auf den Kompromiss einigte, die Mauer mittels Pflastersteinen, die sich durch ganz Berlin ziehen, nachzuzeichnen, rief das bei vielen Berlinern nur Befremden hervor. Die Sicht auf die Vergangenheit ist so grundverschieden wie die Menschen selbst“, gibt Jörg Zintgraf zu bedenken. „Wie man mit der Geschichte umgehen will, ob man überhaupt etwas von ihr wissen will, muss jeder für sich entscheiden. Ein Patentrezept jedenfalls gibt es nicht.“ 45 50 55 60 65 70 75 80 N u r zu P rü fz w e c k e n E ig n tu m d e s C .C . B u c h n e r V e rl a g s | |
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