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510 15 20 25 Jakob Wassermann Das Gold von Caxamalca1 Eines Abends, als eine Abteilung von ihrem Raubzug, der besonders erfolgreich gewesen war, in die Stadt zurückkehrte, trat der ge fangene Inka aus den inneren Gemächern seines Hauses in die Säulenhalle und schaute zu, wie die Soldaten sich ihrer Beute entledigten und wie andre hinzukamen, die goldnen und silbernen Gegenstände in die Hand nahmen, sie einander zeigten, sie betasteten, sie geradezu liebkosten und durch ihr ganzes Gebaren2 das trunkene Entzücken, die unstillbare Begehrlichkeit und wesenlos neidhafte Angst verrieten, die in ihnen tobten. (Der Inka) schien nicht recht zu begreifen, was sich vor seinen Augen abspielte. Indem er angestrengt nachdachte, näherte sich ihm Felipillo und sagte mit leiser Stimme und heuchlerisch-demütigem Gebaren einige Worte zu ihm: „Sie wollen Gold. Sie winseln um Gold, sie schreien um Gold, sie zerfleischen einander um Gold. Frag sie um den Preis deiner Freiheit, und du wirst sie mit Gold kaufen können. Es gibt nichts in der Welt, was sie dir nicht für Gold geben würden, ihre Weiber, ihre Kinder, ihre Seele und sogar die Seelen ihrer Freunde.“ In jener Stunde ahnte ich nur den Sinn der wahren und furchtbaren Worte. Was mich bis ins Innerste bewegte, war der Ausdruck des Grauens und Grübelns im Gesicht Atahuallpas. Es ist sicher, dass er von da ab unablässig über dies eine nachdachte, denn er vermochte nicht daran zu glauben, dass man für ein so nichtiges Ding, wie es das Gold in seinen Augen war, ein so wichtiges wie die Freiheit gewinnen, ja dass man überhaupt etwas damit erkaufen, etwas dafür haben könne. Etwas haben: Das war in seinen Augen ein ganz anderer Begriff als in unsern. Der Gedanke, etwas mit Gold zu erkaufen, musste ihn im tiefsten Gemüt erstaunen und beunruhigen. 2 das Gebaren: das Verhalten 1 Caxamalca: Stadt im heutigen Peru, übersetzt etwa die Froststadt N u r zu P rü fz w e c k e n E ig e n tu m d e s C .C . B u c h n r V e rl g s | |
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