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71Umgang mit Texten und Medien: Sachtexte verstehen und zusammenfassen Zwei Welten in mir Bin ich eine Fremde, wenn ich zu meiner Freundin in die Normandie fahre? Für die Leute aus der Gegend dort ganz bestimmt, denn du kommst von weiter weg, aus Paris, und du bist zudem eine Marokkanerin. Weißt du noch, als wir nach Senegal geflogen sind? Für die Senegalesen waren wir Fremde. Aber die Senegalesen hatten keine Angst vor mir und ich auch nicht vor ihnen! Das stimmt, denn deine Mutter und ich hatten dir erklärt, dass du vor Fremden keine Angst zu haben brauchst, ganz egal, ob sie reich oder arm, groß oder klein, weiß oder schwarz sind. Vergiss das nicht! Jeder von uns ist ein Fremder oder ein Ausländer für jemand anderen, denn Menschen aus einer anderen Kultur oder Gegend empfinden uns immer als fremd, als seltsam. Hör mal, Papa, ich habe immer noch nicht verstanden, warum es so gut wie überall Fremdenund Ausländerfeindlichkeit gibt. In den sehr alten sogenannten primitiven Gesellschaften verhielten sich die Menschen fast wie Tiere. Eine Katze steckt zuerst ihr Gelände ab. Wenn eine andere Katze oder ein anderes Tier ihr die Nahrung stehlen will oder ihren Jungen zu nahe kommt, verteidigt die Katze ihr Territorium und ihre Jungen mit allen Kräften. Der Mensch ist auch so. Er will sein Haus, seinen Boden, seine Besitztümer haben und kämpft, um sie zu behalten. Das ist normal; auch jedes Tier kämpft und verteidigt sich, wenn es angegriffen wird. Der Fremdenfeind aber glaubt, dass jeder Fremde ihm seinen Besitz wegnehmen will. Er denkt gar nicht darüber nach, ob das stimmt, sondern ist einfach immer argwöhnisch gegenüber Fremden. Dieser Argwohn geht so weit, dass manche Leute einen Fremden angreifen, ohne dass der ihnen irgendetwas getan hat oder etwas wegnehmen wollte. Und so verhalten sich Menschen auch heute noch überall, in allen Gesellschaften? Dieses Verhalten ist uralt und auch heute noch ziemlich verbreitet und alltäglich, aber deshalb ist es noch lange nicht richtig! Was uns Menschen von den Tieren unterscheidet, ist doch, dass wir nicht nur von der Natur, sondern auch von der Kultur geprägt sind. Wir reagieren nicht nur unüberlegt und instinktiv, sondern wir können auch nachdenken und dann vernünftig handeln. Dieses überlegte Verhalten lernen wir von unseren Eltern, in der Schule oder durch eigenes Nachdenken, und in diesem vernünftigen Verhalten drücken sich bestimmte Werte aus, wie zum Beispiel die Achtung vor dem anderen. Das ist die Kultur im Gegensatz zur Natur. Weil wir nicht alleine auf der Welt sind, brauchen wir die Kultur. Sie lehrt uns, friedlich mit anderen Völkern zusammenzuleben und dass andere Traditionen und andere Lebensweisen genauso viel wert sind wie unsere eigenen. Mit Kultur meinst du also Erziehung. Aber vorher hast du doch gesagt, dass auch der Rassismus anerzogen ist … Ja, zweifellos wird niemand als Rassist geboren, man wird erst dazu gemacht. Es gibt eben leider nicht nur eine gute Erziehung, sondern auch eine schlechte Erziehung. Das hängt ganz von den Vorbildern ab, denen du in deinem Leben begegnest. 10 15 20 25 30 35 40 45 50 S. 22 Lies den Text „Wenn die Hai fische Menschen wären …“ von Bertolt Brecht und überlege, welche ge dank lichen Über schnei dun gen es zwischen dem lite rarischen Text und dem Sach text gibt und worin diese be stehen. N u r z P rü fz w e c k e n E ig e n tu m d e s C .C . B u c h n e r V e rl a g s | |
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