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85Umgang mit Texten und Medien Lichterloh schon gedacht, dass wahrscheinlich wieder einmal niemand Zeit gehabt hat, die Betten zu machen vor dem Weggehen, und so war es auch, und das Frühstücksgeschirr hat noch auf dem Tisch gestanden, sogar die Butter und das Brot. Also habe ich zuerst die Butter in den Kühlschrank getan und dann bin ich ins Schlafzimmer gegangen und habe die Leintücher ein bisschen zurechtgezogen und die Steppdecke darüber gelegt, weil ich weiß, dass mein Vater sich jedes Mal ärgert, wenn er nach Hause kommt und es so unordentlich aussieht. Es hat auch schon ein paar Mal Streit gegeben deswegen und mein Vater, der sehr nervös ist, hat geschrien, aber meine Mutter hat nur gelacht und gesagt, ich kann ja auch zu Hause bleiben und du wirst schon sehen, wie das ist, wenn sie uns die Musiktruhe und den Kühlschrank wieder wegholen, und wer hat durchaus den Wagen haben wollen, ich oder du? Und dann ist sie ganz freundlich geworden und hat meinen Vater gestreichelt und mich auch und hat gesagt, dass wir, wenn der Wagen erst da ist, alle drei zusammen in den Wald fahren werden und dort picknicken und „Verwechselt das Bäumchen“ spielen und mit dem Fußball ihretwegen auch. Aber dazu ist es nie gekommen, weil sie, als sie den Wagen endlich gehabt haben, immer Freunde mitgenommen haben, Erwachsene, die keinen Schritt zu Fuß gehen wollten, und die Waldwege waren für die Autos gesperrt. Ich war aber darüber nicht sehr traurig, weil mir im Auto oft schlecht geworden ist. Ich habe mir nur immer gewünscht, dass meine Mutter wieder einmal krank wird, wie damals, als sie den schlimmen Fuß hatte und ich ihr die Arnikaumschläge gemacht und den Kaffee ans Bett gebracht habe, und ich habe mir oft überlegt, wie ich es hinbringen könnte, dass sie sich einmal richtig den Magen verdirbt. Aber sie hat sich nie den Magen verdorben und immer ganz rosig ausgesehen und sie hat auch oft gesagt, dass es ihr Spaß macht, ins Büro zu gehen, weil sie da unter Menschen wäre und weil sie es langweilig fände, den ganzen Tag zu Hause zu sein. Sie ist auch gar nicht sehr müde am Abend und immer bereit, noch mit meinem Vater in ein Kino zu gehen. Nur die Gesellschaftsspiele mag sie nicht und das Vorlesen, sagt sie, strengt sie an, weil sie den ganzen Tag Gedrucktes und Geschriebenes vor Augen hat, und ich solle nur meine Bücher allein lesen, ich wäre ja jetzt schon ein großer Junge. Ich bin auch schon groß und natürlich kann ich meine Bücher allein lesen und ich 45 50 55 60 65 70 75 80 N u r zu P rü fz w e c k e n E ig n tu m d e s C .C . B u c h n e r V e rl a g s | |
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