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Die Macht des Unbewussten 99 wahrscheinlich ein paar kräftige Männer erheben und den Störenfried nach kurzem Handgemenge auf den Flur hinauswerfen. Er wäre dann ,verdrängt’ worden, und der Redner könnte in seinem Vortrag fortfahren. Der Störenfried könnte allerdings versuchen, wieder in den Saal hineinzugelangen, deshalb würden die Herren womöglich ihre Stühle zur Tür tragen und sich dort nach vollendeter Verdrängung als ,Widerstand’ niederlassen. Freud meinte, man brauche sich nur den Saal als das ,Bewusste’ und den Flur als das ,Unbewusste’ vorstellen, dann hätte man ein gutes Bild des Verdrängungsprozesses. [...] Der Störenfried will wieder herein [...], in jedem Fall wollen das unsere verdrängten Gedanken und Impulse. Wir leben unter einem konstanten Druck verdrängter Gedanken, die versuchen, sich aus dem Unbewussten hochzukämpfen. Deshalb sagen oder tun wir oft Dinge, die wir eigentlich ,nicht so gemeint haben’. Auch auf diese Weise kann das Unbewusste unsere Gefühle und Handlungen leiten. Jostein Gaarder, S. 479-484 Daneben gezielt In Theodor Fontanes Roman L’Adultera (deutsch: Die Ehebrecherin) verliebt sich Melanie, die junge Ehefrau des älteren Geschäftsmannes van der Straaten, in einen jungen Mann namens Rubehn. Auf einem Sommerfest verrät sie ihre erste Zuneigung, die dann später in ein Liebesverhältnis führt. Am Ausgang des Dorfes lag ein prächtiger Wiesenplan und dehnte sich bis an Kirchhofsmauer hin. In Nähe dieser hatten sich die drei Damen gelagert und plauderten mit Gabler, während Elimar einen seiner Gummibälle […] über Arm und Schulter laufen ließ. Van der Straaten und Rubehn hörten schon von ferne her das Bravoklatschen und klatschten lebhaft mit. Und nun erst wurde man ihrer ansichtig, und Melanie sprang auf und warf ihrem Gatten, wie zur Begrüßung, einen der großen Bälle zu. Aber sie hatte nicht richtig gezielt, der Ball ging seitwärts und Rubehn fing ihn auf. Im nächsten Augenblick begrüßte man sich, und die junge Frau sagte: „Sie sind geschickt. Sie wissen den Ball im Fluge zu fassen.“ „Ich wollte, es wäre das Glück.“ „Vielleicht ist es das Glück.“ Theodor Fontane, S. 119 M3 50 55 60 65 5 10 15 5 10 15 20 25 1 In der Grafik ist der Anteil des Unbewussten sehr viel höher als der des Bewussten. Schätze dieses Verhältnis selbst ein. Begründe deine Antwort. ➜ M1/M2 2 Verfasse einen Infokasten mit allen wichtigen Informationen des Textes. ➜ M2 3 Interpretiere die Szene aus Fontanes Roman vor dem Hintergrund der Theorie Freuds vom Unbewussten. Achte dabei auch auf den Dialog im Roman. ➜ M2/M3 4 Erkläre die Erwiderung von Martina: „Das habe ich doch nicht absichtlich getan.“ Kläre dabei den Zusammenhang von bewusster Absicht und unbewusstem Wunsch. ➜ M4 Glossar: irrational, Sigmund Freud, Psychoanalyse Keine Absicht? Das Handeln von Menschen zeichnet sich dadurch aus, dass es in der Regel von einem freien und vernünftigen Willen geleitet wird. Eine Person hat eine bestimmte Absicht oder setzt sich einen bestimmten Zweck, den sie mittels einer dafür geeigneten Handlung verwirklichen will. Martina möchte ihren Freund besuchen. Sie steigt in den Bus ein, fährt eine Weile und gibt sich ihren Gedanken hin. Auf einmal merkt sie, dass sie die Haltestelle, in deren Nähe der Freund wohnt, verpasst hat. Sie steigt erst zwei Stationen weiter aus und muss die Strecke zurückfahren. Auf diese Weise kommt sie viel zu spät zur Verabredung. Der Freund macht ihr Vorwürfe: Konntest du nicht besser aufpassen? Vielleicht sagt er sogar: Mit dieser Unaufmerksamkeit gibst du mir insgeheim zu verstehen, dass du mich gar nicht besuchen wolltest. Martina widerspricht und sagt: Das habe ich doch nicht absichtlich getan! Doch auf dem Rückweg geht sie in sich. War der Wunsch, den Freund zu sehen, vielleicht doch nicht so groß? Spürt sie sogar eine Abneigung, die sie sich nicht einzugestehen traut? Sie überlegt: Beim Verpassen der richtigen Haltestelle ist der geheime Wunsch, das Treffen zu vermeiden, zum Vorschein gekommen. Das war keine bewusste Absicht, sondern ein unbewusstes Motiv, das sich in ihrer Handlung durchgesetzt hat. M4 A u fg a b e nN ur zu P rü fzw ec ke n Ei nt u d es C .C . B uc hn er Ve rla gs | |
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