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Welche Schuld trifft Wissenschaftler? 135 Der Fall Otto Hahn Die Uranspaltung, die die Entwicklung der Atombombe ermöglichte, war die bedeutendste Entdeckung des deutschen Wissenschaftlers Otto Hahn. Er befand sich zur Zeit des Abwurfs der Atombombe über Hiroshima zusammen mit neun anderen deutschen Atomphysikern in englischer Kriegsgefangenschaft. Die Nachricht vom Tod von weit über 100.000 Menschen traf ihn schwer. Von Werner Heisenberg ist ein Gespräch mit Carl Fried rich von Weizsäcker festgehalten, in dem sie versuchen, sich über ihre Verantwortung für das Geschehene klar zu werden. v. Weizsäcker: Man kann ja verstehen, dass Otto Hahn darüber verzweifelt ist, dass seine größte wissenschaftliche Entdeckung jetzt mit dem Makel dieser unvorstellbaren Katastrophe behaftet ist. Aber hat er Grund sich in irgendeiner Weise schuldig zu fühlen? [...] Sind wir alle an diesem Unglück mit schuld und worin besteht diese Schuld? Heisenberg: Ich glaube nicht [...] [, dass sich Hahn oder wir uns schuldig fühlen müssen]. Otto Hahn und wir alle haben an der Entwicklung der modernen Naturwissenschaft teilgenommen. [...] Wir wissen aus Erfahrung, dass dieser Prozess zum Guten und zum Schlechten führen kann. Aber wir waren überzeugt, dass mit wachsender Kenntnis das Gute überwiegen werde und dass man die möglichen schlechten Folgen in der Gewalt behalten könne. An die Möglichkeit von Atombomben hat vor der hahnschen Ent deckung weder Hahn noch irgendein anderer von uns ernstlich denken können, da die damalige Physik keinen Weg dahin sichtbar machte: An diesem Lebensprozess der Entwicklung der Wissenschaft teilzunehmen, kann nicht als Schuld angesehen werden ... v. Weizsäcker: Die Aufgabe muss daher [...] darin bestehen, diesen Entwicklungsprozess zum Guten zu lenken, die Erweiterung des Wissens nur zum Wohl der Menschen auszunutzen, nicht aber diese Entwick lung selbst zu verhindern. Die Frage lautet also: Was kann der Einzelne dafür tun? Welche Verpflichtung entsteht hier für den, der in der Forschung tätig mitwirkt? [...] Man wird hier [...] wohl einen grundsätzlichen Unterschied machen müssen zwischen dem Entdecker und dem Erfinder. Der Entdecker kann in der Regel vor der Entdeckung nichts über die An wendungsmöglichkeiten wissen und nachher kann der Weg bis zur praktischen Ausnutzung noch so M4 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 1 Informiert euch über den Grund, weshalb die Atombombe über Hiroshima abgeworfen wurde. Recherchiert die Kurzund Langzeitschäden, die der Abwurf der Atombombe verursacht hat. ➜ M1 2 Diskutiert über den Sinn der Entwicklung von Superwaffen. ➜ M2 3 Besprecht mögliche Gründe für Oppenheimers Weigerung, eine weitere Superwaffe zu entwickeln. ➜ M2 4 Nennt die Zweifel an sich, an den Physikern, am Militär und an Regierungen, die Oppenheimer plagen. ➜ M3 5 Interpretiert Oppenheimers Aussage: „Wir haben die Arbeit des Teufels getan.“ ➜ M3 6 Heisenberg und von Weizsäcker diskutieren die Frage, ob Otto Hahn oder die (Natur-) Wissenschaftler generell schuldig sind am Tod von über 170.000 Menschen, weil erst durch Hahns Entdeckung (die Uranspaltung) die Atombombe gebaut werden konnte. Diskutiert einerseits die Auffassung der beiden Physiker und andererseits eure eigenen Auffassungen. ➜ M4 Glossar: Otto Hahn weit sein, dass Voraussagen unmöglich sind. [...] Der Erfinder – und so will ich das Wort verwenden – hat ja ein bestimmtes praktisches Ziel vor Augen. Er muss überzeugt sein, dass die Erreichung dieses Ziels einen Wert darstellt und man wird ihn mit Recht mit der Verantwortung dafür belasten. [...] An den Einzelnen wird man also nur die Forderung stellen können, dass er sein Ziel im großen Zusammenhang sehen müsse; dass er nicht um des Interesses irgendeiner kleinen Gruppe willen andere, viel weitere Gemeinschaften unbedacht in Gefahr bringt. Was ver langt wird, ist also im Grunde nur die sorgfältige und gewissenhafte Berücksichtigung des großen Zusam menhangs, in dem sich der technisch-wissenschaftliche Fortschritt vollzieht. Dieser Zusammenhang muss auch dort beachtet werden, wo er dem eigenen Interesse nicht unmittelbar entgegenkommt. Heisenberg: Wenn du in dieser Weise zwischen Entdecker und Erfinder unterscheidest, wohin stellst du dann dieses neueste und schrecklichste Ergebnis des technischen Fortschritts, die Atombombe? Werner Heisenberg, S. 228-230 A u fg a b e n Nu r z u Pr üf zw ec ke n ig nt um d es C .C . B uc hn r V er l gs | |
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