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An der Schwelle 37 Das Hospiz und die Palliativmedizin In den hellen Zimmern liegen blasse Gestalten auf schmalen Betten, manche umringt von ihren Angehö ri gen. Ruhig und friedvoll liegen sie dort, obwohl Kar zinome ihre Körper zerfressen. Leberkrebs, Lymph knoten-, Knochenmarkoder Lungenkrebs. [...] Das St. Christopher’s Hospice [...] [in London] ist keine Krebsstation, in der ums Überleben gerungen wird. Wer hier eingeliefert wird, weiß, dass er bald sterben muss. [...] [In dem Zimmer über dem Eingang steht] eine imposante alte Dame. [...] Cicely Saunders ist 84 Jahre alt und hat ihr ganzes Leben dem Sterben anderer Menschen gewidmet. [...] Sie ist die Gründerin des Heims und die Mutter der Hospizbewegung [...]. Sie leistete die Vorarbeit für die routinemäßige Verwendung von Morphium als Schmerzmittel. [...] 40 Prozent aller richtig auf Morphium eingestellten Pa tie n ten können ihr Hospiz sogar wieder verlassen und die letzten Tage zu Hause verbringen. Kurz nach dem Krieg vertraute Cicely der Schwester Oberin eines Hospitals an, dass sie schon seit 1935 Morphium zur Schmerzlinderung bei Krebspatienten verwende. [...] Saunders fing an, Medizin zu studieren, forschte und wollte den damals gängigen „My thos“ von Morphium als einer „medizinisch unbrauchbaren Droge“ widerlegen. 1962 bewies sie, dass Patienten bei einer geeigneten Dosis oft ein ganz normales Leben führen können und dass es bei richtiger Verwendung keine Suchtprobleme gibt. Und sie stellte das Prinzip einer Palliativmedizin – Morphium-Dauereinnahme, um Schmerzen gar nicht erst aufkommen zu lassen – auf eine wissenschaftliche Grund lage. [...] „Bei uns wird gute, fundierte und menschliche Medizin betrieben“, führt Cicely Saunders aus, „bei der Ster behilfe geht es um die beste medizinische Praxis.“ „Beste medizinische Praxis“ ist ihre Parole. [...] Indirekte oder gar aktive Sterbehilfe sei – ganz abgesehen von ethischen Bedenken – „schlechte Medizin“, behauptet sie apodiktisch, „weil unnötig“. Nach ihrem Dafürhalten können 95 Prozent aller Krebspatienten bei hinreichenden Morphiumgaben schmerzfrei bleiben. Bei den restlichen fünf Prozent würden Beruhigungsmittel helfen. [...] M3 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 1 Beschreibt das Bild. Äußert Vermutungen über die Beziehung der sich im Raum befindenden Personen zu dem bzw. der Sterbenden/Toten. ➜ M1 2 Versetz dich in das Bild und stell dir vor, eine der um das Sterbebett versammelten Personen zu sein. Welche Gedanken gehen dir als einer der Personen durch den Kopf? Versuche auch, die Gefühle dieser Person nachzuvollziehen und zu beschreiben. ➜ M1 3 Diskutiert, welche Vorteile das Sterben zu Hause hat. Überlegt, ob es auch Nachteile gibt. ➜ M1 4 Stellt dar, warum die meisten Menschen im Krankenhaus sterben. ➜ M2 5 Erläutert, welche Aufgaben das St. Christopher’s Hospice in London wahrnimmt und was man unter Palliativmedizin versteht. ➜ M3 Glossar: Angiographie, Palliativmedizin, Sterbehilfe Und wenn Patienten trotz Morphium und menschlicher Zuwendung ihre Leidenszeit verkürzen wollen? [...] „Sie wissen, dass ich Ihnen keine Überdosis geben kann“, pflegt Cicely Saunders ihnen zu sagen. [...] Eines ihrer Hauptargumente gegen Euthanasie ist das durch einen Freitod ausgelöste Trauma vor allem in den Familien. Man müsse das Sterben als den letzten Teil des Lebens begreifen – und damit als eine Grunderfahrung des Daseins. Reiner Luyken. In: Die Zeit, 10.04.2003 A u fg a b e n Hospiz Der Begriff „Hospiz“ (lat. hospitium: Gastfreundschaft, Herberge) bezeichnete im Mittelalter ursprünglich eine kirchliche oder klösterliche Herberge für Pilger (oft auch Bedürftige und Kranke). Meist lagen diese Hospize an den bekannten Pilgerwegen. Hier erhielten die Pilgerreisenden Unterkunft, Pflege, Fürsorge und Gemeinschaft auf ihrem Weg. Anliegen der modernen Hospizbewegung ist es, Menschen beim Sterben nicht alleine zu lassen. Im Hospiz werden z. B. Menschen in der letzten Phase einer unheilbaren Krankheit begleitet und gepflegt. Es gibt auch umfassende Betreuungsangebote für die Angehörigen. Das erste Haus für sterbende Menschen wurde 1967 von der englischen Sozialarbeiterin und Ärztin Cicely Saunders (1918-2005) in London eröffnet. IN F O Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C . B uc hn er V er la gs | |
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