Volltext anzeigen | |
Der „schöne Tod“ 41 Sterbehilfe Euthanasie darf im Rahmen ethischer Diskussionen nie im Sinne der nationalsozialistischen Propaganda verstanden werden, sondern beinhaltet nur eine Tötung auf Verlangen bzw. im Interesse der Person. Dass die Tötung im (wahren) Interesse der Person erfolgt, bedeutet, dass subjektiv wie objektiv „die Schrecknisse des Lebens die Schrecknisse des Todes überwiegen“. Das Leben ist sowohl aus der Perspektive des Patienten als auch aus der des behandelnden Arztes nicht mehr lebenswert. Dabei unterscheidet man zwei Arten. Die erste ist die Sterbehilfe oder Tötung auf Verlangen, d. h. die Tötung nach expliziter Willensbekundung des Pa ti en ten. Die zweite umfasst Tötungen, bei denen der Patient nicht (nicht mehr oder noch nicht) in der Lage ist, seinen Sterbenswunsch explizit zu äußern. Ein Beispiel für die erste Art: Ein Gericht hatte der vom Hals abwärts gelähmten Nancy B. das Recht zugesprochen zu sterben. Sie konnte selbst be stimmen, wann die Lungenmaschine abgeschaltet werden sollte, die sie am Leben erhielt. Die Ärzte hatten ihr mitgeteilt, dass sie noch lange leben könne, weil ihr Herz gesund sei. Nancy wollte aber nicht mehr an der Maschine hängen: „Das ist kein Leben“, sagte sie. Es ist klar, dass der Todesoder Sterbewunsch von Nancy begründet war. Der Tod lag daher im Interesse der Patientin. Außerdem kann man unterstellen, dass die Interessen von anderen nicht negativ tangiert wurden. Deshalb folgt, dass die von Nancy B. juris tisch eingeklagte Beihilfe zum Sterben moralisch in Ordnung war. Gegen diese Auffassung gab es viele Ein sprüche, die sich insbesondere gegen die aktive, im Unterschied zur passiven, Sterbehilfe richteten. Diese Unterscheidung ist jedoch begrifflich recht unklar: „Aktive Sterbehilfe meint die direkte Herbeiführung des Todes, etwa durch ein tödliches Mittel oder eine andere, den Tod unmittelbar bewirkende Maßnahme wie z. B. Nahrungsmittelentzug. Unter passiver Sterbehilfe versteht man das Geschehenlassen des Sterbens ohne ein medizinisches Einschreiten. Das bedeutet faktisch den Abbruch oder das Unterlassen einer therapeutischen Maßnahme.“ Nach dieser Definition wäre die Sterbehilfe im Fall M4 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 Nancy B. gleichzeitig eine aktive und passive: Einerseits bewirkt das Abstellen der Lungenmaschine unmittelbar den Tod; andererseits stellt sie den A b bruch einer therapeutischen Maßnahme dar. Es ist jedenfalls schwer einzusehen, worin der moralische Unterschied zwischen der Sterbehilfe im Falle von Nancy B. und der noch „aktiveren“ Sterbehilfe im Fall Tracy B. bestehen sollte: Der britische Arzt Nigel Cox erfüllte seiner Patientin Tracy B. nach 13 Jahren aussichtsloser Behandlung den Wunsch der Todesspritze. Da Sterbehilfe in Großbritannien strafbar ist, wurde er zu 12 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt, obwohl der Richter sein Verhalten als „nachvollziehbar“ bezeichnete. Vielleicht gibt es gute Gründe dafür, die aktive Sterbehilfe juristisch anders zu behandeln als die passive. Es ist durchaus denkbar, dass die rechtliche Freigabe beispielsweise einer Todesspritze durch den behandelnden Arzt eher miss braucht werden könnte als die rechtliche Erlaubnis zum Abstellen einer Herz-Lungen-Maschine. Doch wenn das Ende der Leiden von Tracy B. nur durch das Verabreichen einer tödlichen Injektion möglich war und wenn Tracy B. dies selbst ausdrücklich gewünscht hat, dann war das Verhalten von Nigel Cox nicht nur „nachvollziehbar“, sondern moralisch ebenso unbedenklich wie das Abstellen der Lungenmaschine durch den Arzt von Nancy B. nach Wolfgang Lenzen, S. 186-188 1 Stell dir vor, du wärst Frankie Dunn. Wie würdest du auf Maggies Wunsch reagieren? Begründe. ➜ M1 2 Welche Aspekte in Bezug auf Sterbehilfe werden genannt? Sprecht darüber, ob sie aus eurer Sicht heute noch haltbar sind. ➜ M2 3 Benennt die juristischen Konsequenzen, die sich ergeben, wenn man in Deutschland Sterbehilfe leistet. Vergleicht die deutsche Gesetzgebung mit der niederländischen und englischen (Internetrecherche). ➜ M3 4 Vergleicht die beiden Fälle. Zu welchen (moralischen) Ergebnissen kommt ihr? ➜ M4 5 Kommt noch einmal auf A1 zurück. Stellt dar, ob und was ihr jetzt nach der Auseinandersetzung mit dem Thema Sterbehilfe evtl. anders bewertet. ➜ M1-M4 A u fg a b e nN ur zu P rü fzw ec k n Ei g nt um d es C .C . B uc hn r V er la gs | |
![]() « | ![]() » |
» Zur Flash-Version des Livebooks |