Volltext anzeigen | |
Möglichkeiten und Grenzen der Aufklärung Die rasante Entwicklung von Wissenschaft und Technik in der Epoche der Aufklärung sorgte für eine Erweiterung der menschlichen Kenntnisse, führte aber auch zu oft ungebremster Fortschrittseuphorie. Da man glaubte, die Gesetze der Natur erkannt zu haben, meinte man auch, sie beherrschen und beliebig nutzen zu können. Alles schien machbar. Allerdings „entzauberte“ die radikale Aufklärung mit ihrer trostlosen Nüchternheit die Welt. So sprach der romantische Dichter Novalis (1772 1801) vom „harten und kalten Licht der Aufklärung“, das mit „mathematischem Gehorsam […] alles Wunderbare und Geheimnisvolle“ abtun will. Ganz wesentlich untergrub die Aufklärung den christlichen Glauben. Wollte sie zunächst nur einem vernunftgemäßen Christentum den Weg ebnen, so konnte dieser Ansatz in letzter Konsequenz auch zur Leugnung jeder Religion führen. Der Atheismus, den es schon vor der Aufklärung gegeben hatte, fand immer mehr Anhänger. Die Verweltlichung der Menschen schuf auch die Voraussetzung für spätere politische „Ersatzreligionen“ wie Liberalismus, Nationalismus und Sozialismus. Im späten 18. Jahrhundert übernahmen viele Regierungen die Gedanken der Aufklärung. Dabei versuchten die Monarchien, ihre Herrschaft mithilfe von aufgeklärter Wissenschaft, Technik, Ökonomie und Verwaltung zu festigen. Es entstand das System des „aufgeklärten Absolutismus“. Der Machtanspruch der Krone war weiterhin uneingeschränkt, doch als Maßstab der Politik galt nun die Vernunft. Was die Regierung für „vernünftig“ hielt, wurde allerdings rücksichtslos durchgesetzt. Die Reformen des aufgeklärten Absolutismus sollten Staat und Gesellschaft modernisieren („Aufklärung von oben“). Sie waren jedoch oft zu radikal in der Wahl ihrer Mittel. So wurden in Süddeutschland um 1802/03 fast alle Klöster und Kirchen von staatlichen Behörden zwangsenteignet. Die „Säkularisation“ führte zur Zerstörung uralter Kulturgüter sowie zur Auflösung des von der Kirche getragenen Schulund Sozialwesens. Ein radikaler Vernunftglaube prägte auch viele Anhänger der Französischen Revolution. Seit der Abschaffung der Monarchie in Frankreich (1792) ging die neue Republik gegen Kritiker mit äußerster Gewalt vor. Viele revolutionäre Politiker beriefen sich auf die Vordenker der Aufklärung, nicht zuletzt auf Rousseau (u M7). Dabei hatten Rousseau, Kant und andere bereits gesehen, dass das Haupthindernis der Aufklärung im Mangel an Bildung bestand. Um 1800 waren noch große Teile der Bevölkerung Analphabeten. Fortschritt und Reformen konnten nur dann gelingen, wenn die Menschen aus freier Überzeugung zustimmten. Ein solches Urteilsvermögen (Mündigkeit) ließ sich jedoch nicht durch Gewalt oder Terror verordnen. Die Entwicklung der Menschenund Bürgerrechte ist – neben dem Christentum – wesentlich von Ideen der Aufklärung vorangetrieben worden. Persönliche Freiheit und rechtliche Gleichheit aller Menschen werden als universale Menschenrechte angesehen. Dies schließt Willkürherrschaft und Tyrannei aus. Zugleich beinhaltet die heutige Vorstellung vom Menschenrecht den Zugang zu Bildungsgütern, um jeden Menschen zum Gebrauch und zur Weiterentwicklung seines Verstandes zu befähigen (u M 4). i Montgelas. Ölgemälde (81 x 64 cm) von Joseph Hauber, 1804 (Ausschnitt). Maximilian Joseph Freiherr (seit 1809 Graf) von Montgelas (1759 1838) war Sohn eines in bayerischen Diensten stehenden Generals und einer Gräfin. Der studierte Staatsrechtler war gleichzeitig Anhänger der Aufklärung und der Monarchie. Seit 1796 Berater des bayerischen Kurfürsten Max Joseph, setzte er ab 1799 viele Reformen in Bayern um: Schaffung eines Gesamtministeriums mit fünf Fachministerien, Reform der Beamtenausbildung, Vorschriften für Besoldung, Beförderung, Versetzung und Entlassung von Beamten, Einrichtung neuer Landkreise, Aufhebung regionaler Sonderrechte. n Überlegen Sie, wie der aufgeklärte Staat notwendige, aber unpopuläre Maßnahmen durchsetzen kann. n Diskutieren Sie, wo im politischen Bereich der Bezug auf die Vernunft an Grenzen stößt. Atheismus (altgriech. átheos: ohne Gott, gottlos): Überzeugung, dass es keinen Gott gibt universale Menschenrechte (lat. universus: gesamt, umfassend): Auffassung, nach der die Menschenrechte überall auf der Welt und für alle Menschen Gültigkeit haben Frühe Neuzeit: Neue Menschenund Weltbilder 33 N u r zu P rü fz w e c k e n E ig e n tu m d e s C .C . B u c h n e r V e rl a g s | |
![]() « | ![]() » |
» Zur Flash-Version des Livebooks |