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Epikur – Glück und Lust 81 sen gewöhnt, dann macht das einen vollständig gesund, es macht den Menschen unbesorgt gegenüber den notwendigen Bedürfnissen des Lebens, es macht uns stärker, wenn wir uns von Zeit zu Zeit den aufwendigen Anlässen zuwenden und es befreit uns von der Furcht vor den Wechselfällen des Schicksals. Wenn wir also sagen, dass die Lust das Ziel sei, dann meinen wir nicht die Lüste des Ausschweifenden und nicht die im Genuss gelegenen Lüste, wie manche meinen, entweder weil sie unsere Lehren nicht kennen oder nicht mit ihnen übereinstimmen oder sie absichtlich missverstehen; vielmehr meinen wir, dass man weder am Körper Schmerzen noch an der Seele Unruhe spürt. Denn es sind nicht Trinkgelage und fortgesetzte Feste und auch nicht der Genuss von Knaben und Frauen oder Fischen und das übrige Angebot eines reich gedeckten Tisches, was das Leben angenehm macht, sondern die nüchterne Überlegung, die die Gründe für jedes Wählen und Meiden erforscht und diejenigen Meinungen vertreibt, aufgrund von welchen größte Unruhe die Seelen ergreift. Ursprung von all diesem und das größte Gut ist das Vernünftigsein (phronesis). Deswegen ist das Vernünftigsein sogar wertvoller als die Philosophie; aus Ersterem gehen von Natur aus alle übrigen Tugenden hervor, denn es lehrt, dass es nicht möglich ist, angenehm zu leben, ohne zugleich auch vernünftig, anständig und gerecht zu leben, und dass es nicht möglich ist, vernünftig, anständig und gerecht zu leben, ohne zugleich auch angenehm zu leben. Denn die Tugenden sind von Natur aus mit dem angenehmen Leben verbunden und das angenehme Leben ist untrennbar von diesen. Epikur, S. 6-7 Glück als aktives Tun Folgt man Epikurs Lehren, dann ist ein „Epikureer“ ein ausgeglichener Mensch, der sein Glück aus den vielen kleinen Freuden des Lebens zieht, der seine Ängste besiegt und der gesellig und verträglich mit anderen lebt. Erst seine späteren Gegner, vor allem die Christen, haben den gottlosen Epikur zu einem Guru des Lasters verfälscht und seine Ansichten bis zur Unkenntlichkeit verdreht. Psychologisch gesehen M4 40 45 50 55 60 65 70 5 10 15 20 25 1 a) Stellt euch vor, ihr wärt an eine Lustmaschine angeschlossen, die euch sofort die Befriedigung aller eurer Wünsche simuliert: Welche Erfahrungen sollte diese Maschine für euch simulieren? Erstellt in Gruppenarbeit eine Rangliste und vergleicht eure Ergebnisse. ➜ M1 b) Diskutiert anschließend, ob ihr an einer solchen Maschine glücklich wärt. Inwiefern würde es einen Unterschied machen, ob ihr euch eurer Lage bewusst wärt oder nicht? ➜ M1 2 Überprüft anhand des Gedankenexperiments aus Aufgabe 1 die Aussagen Seligmans. ➜ M2 3 Gliedere den Text in Abschnitte und finde jeweils passende Überschriften für die Textabschnitte. ➜ M2 4 Bestimme durch eine genaue Textanalyse, was Epikur unter „Lust“ versteht. ➜ M3 5 Begründe, warum Epikur in der Selbstgenügsamkeit ein hohes Gut sieht. ➜ M3 6 Informiert euch über die Positive Psychologie und vergleicht die Ergebnisse mit den Ratschlägen Epikurs. ➜ M3/M4 7 Grenzt die Bestimmung der vernünftigen Lust gegen Vorstellungen der heutigen Spaßgesellschaft ab. ➜ M3/M4 Glossar: simulieren, Tugend aber war Epikur den Lehren des Christentums bereits weit voraus. Denn er erkannte das untrennbare Zu sammenspiel von Körper und Geist, Physis und Psyche, und stellte es ins Zentrum seiner Philosophie. Was er lehrte, findet sich heute wieder in den Einsichten der Positiven Psychologie […]. Vertreter der Positiven Psychologie suchen Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit Menschen glücklich sind. Und sie entwerfen Programme, um Menschen darin zu trainieren, glücklicher zu werden. Denn Glück, da stimmen die Psychologen mit Epikur überein, kann und muss aktiv hergestellt werden. Glück entsteht nicht von allein. Es reicht nicht aus, keine Schmerzen, keinen Stress und keine Sorgen zu haben, um glück lich zu sein. Wie viele Menschen ohne große Lebensnöte sind überhaupt nicht glücklich, sondern lang weilen sich nur. Mit anderen Worten: Glück ist schön, macht aber viel Arbeit. Richard David Precht, S. 362 A u fg a b e n Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um es C .C . B uc hn er Ve rla gs | |
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