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Stoa – Glück durch Gelassenheit 85 Der ideale Mensch Beim Weisen ist der Logos gesund und stark, und im unerschütterlichen Besitz der rechten Erkenntnis vermag er sich gegenüber allen lockenden Einflüssen auf rechtzuerhalten. Nie wird er aus Schwäche einer falschen Vorstellung zustimmen. [...] Nie wird er die Vorstellung anerkennen, dass der körperliche Schmerz ein Übel oder irgendein Außending ein Gut sei. [...] Damit hat er aber auch die rechte Einstellung zur Außenwelt. Auch der Weise ist für sein physisches Dasein auf diese angewiesen [...]. Aber er kann sie entbehren und räumt ihr niemals einen entscheidenden Einfluss auf sein inneres Leben ein. Er weiß, dass ihm die äußeren Dinge weder nützen noch schaden können. [...] Auf dieser Unabhängigkeit von der Außenwelt be ruht seine innere Freiheit. Der Weise fühlt sich ge bunden an das Gesetz des Logos, dem er unbedingt zu folgen hat. Aber damit fällt zugleich jeder äußere Zwang für ihn hinweg. Er ist frei, gleichviel wie seine äußere Le benslage ist. Denn er braucht keinerlei Rücksicht auf Men schen oder Dinge zu nehmen. Er richtet sein Leben aus schließlich nach seinem eigenen sittlichen Empfin den und Ermessen ein. Er kennt den Weltlauf und will nur, was er kann. Darum kann er auch, was er will. [...] Streng und herb wandelt dieser Weise über die Erde, auch wenn er durchaus umgänglich und gesellig ist. Denn unbeeinflusst bleibt er von Mitleid und Zorn, von Liebe und Hass, nur dem Gebote des Logos ge hor sam, aber gerade darum bereit und fähig, wahrhaft Er sprieß liches zu leisten. So ist er ein Segen für die Menschheit, der jede seiner Handlungen schon als Vorbild zugute kommt. Max Pohlenz, S. 154-156 Selbstgenügsamkeit Der Mensch ist nicht seines eigenen Glückes Schmied; er ist nur ein Spielball der Gesetze des Kosmos. Das Beste, was er noch tun kann, ist, sich diesen Gesetzen zu unterwerfen, sie hinzunehmen und anzunehmen. Wir müssen uns davor hüten, Wünsche zu haben, Lei denschaften und Begierden. Die persönlichen Wünsche sind eine Quelle ständiger Unzufriedenheit, M3 M4 5 10 15 20 25 30 5 10 15 20 25 30 35 1 Überprüft, ob es nicht gerade Gefühle wie Begeisterung, Zorn, Freude usw. sind, die unser Engagement für eine Sache begründen. ➜ M1/Infokasten 2 Fasse den Gedankengang Epiktets zusammen. ➜ M2 3 Erarbeitet in Gruppenarbeit, an welcher Stelle des Textes welches Ideal des stoischen Weisen beschrieben wird, und begründet eure Er gebnisse. ➜ M3 4 Diskutiert, ob diese Ratschläge in eurem Leben hilfreich sein könnten. Überlegt euch dazu konkrete Situationen. ➜ M2/M3 5 Überprüft die Ratschläge, die M4 im Sinne der Stoiker gibt, und sammelt weitere Beispiele. ➜ M4 Glossar: Affekt, Epiktet, Logos, Seneca, Tugend denn wenn sie nicht im Einklang mit unserem Schicksal stehen, werden wir sie uns niemals erfüllen können. Nehmen wir ein Beispiel: Wenn jemand so arm ist, dass er sich ganz sicher niemals ein Auto wird leisten können, nicht einmal einen alten, klapprigen Fiat Panda, dann sollte er es vermeiden, ein großer Autoliebhaber zu werden. Eine solche Leidenschaft wird ihm nichts als Schmerzen bereiten, weil es sein Schicksal ist, immer nur im Bus zu sitzen, während er von einem schnellen Sportwagen träumt. Das Vernünftigste, was er tun kann – so würde ein Stoiker sagen –, ist, seine Leidenschaft für Autos abzutöten: nicht mehr ständig nach Autos schauen, nicht länger von den neuesten Modellen schwärmen. Wenn er so seine Leidenschaft bekämpft, wird er irgendwann überhaupt kein Auto mehr besitzen wollen, und dann wird er auch nicht mehr darunter leiden, dass er sich keines leisten kann. Dieses Verstummen der Leidenschaften nennt man ataraxía. Der Stoiker strebt nach Selbstbeherrschung, Unempfindlichkeit und Gleichmut; er versucht, seine Wünsche klein zu halten, um nicht unter ihnen leiden zu müssen. Für den vollkommenen Stoiker ist es einerlei, ob man ihm im Speisesaal eines Schlosses eine mit Kastanien gefüllte Wachtel in Austernsauce und französischen Wein serviert oder eine Bratwurst mit Bier in der Imbissstube. Ein vollkommener Stoiker hat weder Lieblingsspeisen noch andere Vorlieben. Héctor Zagal/José Galindo, S. 127f. A u fg a b e nN ur zu P rü fzw ec ke n Ei ge nt um d s C .C . B uc hn er V rla gs | |
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