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Glücksphilosophie heute 87 Ist Glück messbar? Inzwischen nämlich nehmen sich des Glücks-Problems auch die praktische und die theoretische Politik, d. h. die Parteiprogrammkommissionen und die Politologen sowie die empirische Sozialforschung unter dem Titel „Lebensqualität“ an; es gibt ferner eine ganze Sparte der Psychologie, die sich unter der Bezeichnung „Happyologie“ der Untersuchung der Bedingungen von Positiverfahrungen widmet; als Po sitiverfahrung wird hier sehr vorsichtig das bezeichnet, was man ansonsten – nämlich im Alltag, in der Philosophie und Dichtung und ebenso in der Unterhaltungskultur der Schlager, Filme und Familienromane – Glück zu nennen pflegt. Meinungsforscher haben inzwischen ein differenziertes Instrumentarium von Testund Befragungsmöglichkeiten entwickelt, um die Glücksund Zufriedenheitsgefühle der Zeitgenossen – nach Altersstufen, Einkommenshöhe, Geschlecht, Konfessionszugehörigkeit, Wohnverhältnissen, Familienstand, Stellung im Beruf und was es sonst noch alles an Differenzierungsmöglichkeiten für die Lebenslagen von Menschen gibt – zu erheben und zu quantifizieren. […] Man hat in raffiniert durchdachten Verfahren durch Umfragen erhoben und in Zahlenwerten vermessen, wie zufrieden die Menschen mit den 15 bzw. 31 Sektoren sind, nach denen man ihre Lebenslagen definieren kann, also mit dem Einkommen, der Woh nung, der Bildung, der Arbeit, der Familienund Ehesituation und den politischen Verhältnissen usw. Dabei sind mehrere sehr bedeutungsvolle Einsichten ge macht worden. […] Zwischen den objektiven Lebensbedingungen und dem Lebensstandard einerseits und der psychologischen Zufriedenheit mit der Lebenssituation andererseits besteht – das war ein erstes wichtiges Ergebnis – ein nur lockerer Zusammenhang. Man kann diese Befunde dahingehend zuspitzen, dass durchaus objektiv gute Lebensbedingungen mit einer als schlecht wahrgenommenen Lebensqualität zu sam mengehen können […], und andererseits, dass trotz schlechter Lebensbedingungen sehr wohl eine positive Bewertung des Lebens und der Glücksbefindlichkeit gegeben sein kann […]. Günther Bien, S. 38f. M3 5 10 15 20 25 30 35 40 5 10 15 20 25 1 Prüft die Modeschlagwörter und die Publikationen: Inwiefern sind sie hilfreich für euer Leben? Was muss gegeben sein, damit ihr euer Leben als gelungen und glücklich bezeichnen würdet? ➜ M1 2 Unterscheide an Beispielen einen äußeren und einen inneren Glücksbegriff. ➜ M2 3 Entwerft einen Fragebogen: Was macht dich glücklich?, führt die Umfrage an eurer Schule durch und wertet sie aus. ➜ M3 4 Diskutiert: Wie sollte eurer Meinung nach ein Fach/ Projekt „Glück“ aufgezogen werden? ➜ M4 Glossar: empirisch, Konfession, Meditation, Platon Die Kunst, glücklich zu sein Auf allen Schulen müsste es Unterricht geben in der Kunst, glücklich zu sein. Nicht in der Kunst, glücklich zu sein, wenn einen das Unglück beim Wickel hat: das überlasse ich den Stoikern; vielmehr in der Kunst, glücklich zu sein, wenn die Umstände erträglich sind und die Bitternis des Lebens sich auf Kleinigkeiten beschränkt. Die erste Regel dieser Kunst bestände darin, nie mit jemand anderem über seine augenblicklichen oder überstandenen Beschwerden zu sprechen. Andere mit seinem Kopfweh, seinem Gallenleiden oder seinen Verdauungsbeschwerden zu unterhalten, müsste selbst dann für eine Unhöflichkeit gelten, wenn es in den gewähltesten Ausdrücken geschähe. Das Gleiche, was Erzählungen von erlittenem Unrecht und enttäuschten Hoffnungen betrifft. Man müsste den Kindern und jungen Leuten auseinandersetzen, was selbst die Erwachsenen, wie mir scheint, nicht genügend be achten: dass nämlich Klagen die anderen nur traurig stimmen können, das heißt ihnen missfallen müssen, selbst wenn sie zu solchen Geständnissen auffordern und sich in der Rolle des Trösters zu gefallen scheinen. Denn Traurigkeit gleicht einem Gift, das man zwar lieben, aber nach dem man sich nicht wohlfühlen kann; und recht hat zum Schluss immer das tiefere Gefühl. Jeder will leben, nicht sterben; dem entsprechend sucht er Umgang mit denen, die leben, das heißt sich zufrieden zeigen. Alain, S. 221 M4 A u fg a b e n Nu r z u Pr üf zw ec k n Ei g nt um d es C .C . B uc hn er V er la gs | |
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