Volltext anzeigen | |
211Vom Deutschen Bund zum Deutschen Kaiserreich 1 „Verfassunggebende deutsche Nationalversammlung in der Paulskirche zu Frankfurt a. M.“ Farblithografi e (29 x 40,5 cm) von C. A. Lill, 1848. Da kein Saal der Stadt groß genug war, um die Abgeordneten aufzunehmen, wurde eine Kirche zum Tagungsort gewählt. Die Galerie fasste bis zu 2 000 Personen. Über dem Sitz des Präsidenten befi ndet sich ein Trans parent mit der Germania* von Philipp Veit, einem jüdischen Mitbürger. Das Bild verdeckt die Orgel und misst 4,82 x 3,20 m (siehe die Vergrößerung rechts im Bild). Übrigens: Schon am 9. März 1848 hatte die Bundesversammlung schwarz-rot-gold zu den Farben des Deutschen Bundes erklärt. * Germania: Frauengestalt, die als Sinnbild Deutschlands galt Große Erwartungen Während in Baden das Heer des Deutschen Bundes den Aufstand der Republikaner niederwarf, fand in allen deutschen Bundesstaaten die Wahl zur Nationalversammlung statt. Gewählt wurde nach dem gleichen Stimmrecht für alle „selbstständigen“ erwachsenen Männer. Etwa 80 Prozent der Männer über 20 Jahre waren wahlberechtigt. Die Wahlbeteiligung lag zwischen 40 Prozent in Sachsen und 80 Prozent in Württemberg. Salutschüsse und Glockengeläut begrüßten die etwa 330 von ungefähr 585 gewählten Abgeordneten, als sie am 18. Mai 1848 in die Frankfurter Paulskirche einzogen. Bis zur Aufl ösung des Parlaments nahmen insgesamt 809 Volksvertreter an den Versammlungen teil, darunter 357 Akademiker (Professoren, Lehrer, Geistliche und Rechtsanwälte), 312 Staatsdiener (Beamte, Richter und Offi ziere) sowie 96 Vertreter der Wirtschaft (Landwirte, Kaufl eute, Fabrikanten und Handwerker). Arbeiter fehlten – und Frauen durften nur bei öffentlichen Sitzungen zuschauen. Die Bevölkerung erwartete von der Nationalversammlung • eine Verfassung, die die künftigen Grenzen und die Staatsform eines Nationalstaates festlegte, und • die Lösung der sozialen und wirtschaftlichen Probleme. Parteien entstehen Abgeordnete mit ähnlichen politischen Zielen trafen sich in Frankfurter Gasthöfen, um ihre Arbeit im Parlament und in den Ausschüssen vorzubereiten. Daraus entstanden Fraktionen (lat. fractio: Bruch), deren Mitglieder in der Nationalversammlung geschlossen abstimmten. Diese Gruppen des Parlaments suchten Unterstützung in den politischen Ver einen. Sie schrieben Programme, gründeten Zeitungen und bildeten nationale Vereine mit Niederlassungen in vielen Städten. Die politischen Vereine von 1848 waren die Vorläufer der konservativen, liberalen, katholischen und sozialistischen Parteien. Die Reichsregierung und die Macht Die Nationalversammlung schuf eine provisorische Regierung für ganz Deutschland. Als vorläufi ges Staatsoberhaupt (Reichsverweser) wählte sie den im Bürgertum beliebten Erzherzog Johann von Österreich. Die Übergangsregierung hatte weder eine funktionierende Verwaltung noch ausreichende Steuereinnahmen. Außerdem weigerten sich die meisten Fürsten, ihre Soldaten unter den Befehl des Reichskriegs ministers zu stellen. Die Nationalversammlung 4492_1_1_2013_192_214.indd 211 28.02.13 15:07 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C .B uc hn er V er la gs | |
![]() « | ![]() » |
» Zur Flash-Version des Livebooks |