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215Vom Deutschen Bund zum Deutschen Kaiserreich ˘ Lesetipp: Harald Parigger, 1848 – Robert Blum und die Revolution der vergessenen Demokraten, Würzburg 2011 Die alten Mächte marschieren In Wien gewannen die fortschrittsfeindlichen Mächte ihren Einfl uss im Herbst 1848 zurück. Die nationalen Erhebungen in den italienischen Staaten und Böhmen wurden niedergeschlagen. Ende Oktober 1848 ging das Militär in Wien gegen Bürger, Studenten und Arbeiter vor, die den Freiheitskampf der Ungarn unterstützten. Zum Entsetzen vieler Liberaler und Republikaner erschossen kaiserliche Soldaten nach dem Aufstand den zur gemäßigten Linken zählenden Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung Robert Blum und weitere 22 Männer, die sich an den Kämpfen beteiligt hatten. In Berlin löste der preußische König die Volksvertretung am 5. Dezember auf und erließ eine Verfassung ohne Zustimmung der Abgeordneten. Der preußische König lehnt die Kaiserkrone ab Die Nationalversammlung in Frankfurt wählte am 28. März 1849 den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. zum Kaiser. Dieser lehnte die Krone vier Wochen später ab. Drei Gründe haben ihn dazu bewogen: • die Art und Weise, wie die Reichsverfassung entstanden ist, • die Befürchtung, dass England, Frankreich und Russland ein einheitliches Deutsches Reich im Herzen Europas ablehnen würden und • die Tatsache, dass weder die preußische Regierung noch so einfl ussreiche Länder wie Bayern, Hannover und Sachsen die Reichsverfassung angenommen hatten. Abgeordnete, Bürgerwehren sowie Männer und Frauen aus dem Volk kämpften im April/Mai 1849 in Württemberg, Baden, der Pfalz, Hessen, Preußen (Rheinland), den Staaten Thüringens und Sachsen vergeblich für die Reichsverfassung. Bitter, aber nicht hoffnungslos Der Traum von Nationalstaaten mit freien Verfassungen scheiterte 1849 nicht nur in Deutschland, sondern auch in Italien und Ungarn. Die deutschen Fürsten stellten den Obrigkeitsstaat wieder her, lösten die Landesparlamente auf und schränkten die Presseund Versammlungsfreiheit ein. Immerhin gab es nach 1848 außer Österreich keinen deutschen Staat mehr ohne geschriebene Verfassung. Überall grenzten Parlamente oder Ständevertretungen die Macht der Fürsten ein. Einige soziale Reformen wie die Ablösung grundherrlicher Rechte blieben bestehen. In Preußen machte das vom König erlassene Drei-KlassenWahlrecht ab 1850 die Höhe der Steuern zum Maßstab: Wenige Großsteuerzahler der ersten Steuerklasse konnten ebenso viele Abgeordnete wählen wie die vielen Wähler der dritten Steuerklasse. Doch selbst dies war im Vergleich zu früher fortschrittlich. Es galt in Preußen bis 1918. Flucht und Auswanderung Nach dem Sieg der Gegenrevolution verließen tausende Deutsche ihre Heimat. Vor allem Studenten, Professoren, Journalisten und andere Intellektuelle, die sich für einen demokratischen Nationalstaat eingesetzt hatten und sich an der Volkserhebung beteiligt hatten, fl ohen in die Schweiz oder wanderten nach Nordamerika aus.* Unter ihnen befanden sich auch die Journalistin und Frauenrechtlerin Mathilde Franziska Anneke aus Westfalen und der Bonner Student Carl Schurz. Beide hatten zuletzt in Baden an der „Reichsverfassungskampagne“ teilgenommen. * Etwa 6 000 politische Flüchtlinge gingen in die USA; zur Auswanderung in die USA lies Seite 260 f. Bitteres Ende 1 Standrechtliche Erschießung Robert Blums am 9. November 1848 auf der Brigittenau bei Wien. Ölgemälde (21 x 34,5 cm) von Carl Constantin Heinrich Steffeck, 1848/49. Der in Köln gewählte Abgeordnete war von einem Sondergericht zum Tode verurteilt worden. ˘ Filmtipp: „Robert Blum und die Revolution.“ ZDF-Reihe „Die Deutschen“ von 2008, Folge 8 4492_1_1_2013_215_227.indd 215 28.02.13 15:07 Nu r z u Pr üf zw ec k n Ei ge nt um d es C .C .B uc ne r V er la gs | |
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