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299Projekt – Mit Material arbeiten M 7 Der Integrationsfrieden Der Politikwissenschaftler Hanns Jürgen Küsters schreibt in einer wissenschaftlichen Arbeit von 2000 über den „Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland“ („Zwei-plus-Vier-Vertrag“) von 1990: Die eigentlichen Schwierigkeiten, [nach 1945] zu einem Friedensvertrag über Deutschland zu kommen, bestanden nicht zwischen Siegern und Besiegten, sondern unter den Siegern, sich über die Interessen und Prinzipien zu verständigen. […] 1919 wollten die Siegermächte absolute Sicherheit und totale Gerechtigkeit erreichen und heraus kam ein zerbrechlicher Waffenstillstand. Der Diktatfrieden mit harten Strafmaßnahmen implizierte den Anreiz für revisionistische* Forderungen und zerstörte das eigene Vertragswerk. [...] Nach dem Zweiten Weltkrieg wäre ein Diktatfriede möglich gewesen, schien aber angesichts der Erfahrungen mit Versailles nicht opportun**. Ein Verhandlungsfriede kam nicht in Betracht. Die Weisheit, die internationalen Beziehungen zu stabilisieren und zum Verlierer wieder normale Verhältnisse herzustellen, lag wohl in der Entscheidung für den Integrationsfrieden. […] Integrationsfriede bedeutet, der Sieger unterwirft nicht den Besiegten, sondern gibt ihm im Rahmen eines internationalen Verbundsystems die Möglichkeit zur Rückkehr in die internationale Staatengemeinschaft in fester politischer, wirtschaftlicher und militärischer Bindung an eine Staatengruppierung, jedoch unter Wahrung seiner legitimen Rechte als Staat. […] Integrationsfriede bezeichnet einen vorausschauenden Frieden, der den Gegner nicht zerschmettert, sondern ihm die Möglichkeit zugesteht, unter Kontrolle eines Allianzsystems, das ein gewisses Machtgleichgewicht herzustellen vermag, seine Verteidigungsfähigkeit wiederzuerlangen. […] Elementare Voraussetzung für die positive Wirkung des Integrationsfriedens ist die politische und vor allem die Adaption*** der gesellschaftlichen Werteordnung des Siegers durch den Besiegten unter Beibehaltung des Zustandes der sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Bindungen. Dabei sind die Herstellung der Nichtangriffsfähigkeit des Besiegten und der Verzicht auf Dominanz des Siegers Garantien für den Erhalt der bestehenden Friedensordnung. Hanns Jürgen Küsters, Der Integrationsfriede. Viermächte-Verhandlungen über die Friedensregelung mit Deutschland 1945-1990, München 2000, S. 894-898 (stark gekürzt, ohne Anmerkungen) * revisionistisch: eine Veränderung anstrebend ** opportun: angebracht *** Adaption: Anpassung 5 10 15 20 25 30 35 M 6 „March oft the Fourth Reich.“ Karikatur von Bill Caldwell aus der britischen Tageszeitung „Daily Star“ vom 20. Februar 1990. Projektvorschlag Vergleicht die drei Friedenslösungen von 1919, 1945 und 1990 in Gruppenarbeit. Jedes Team untersucht einen Friedensschluss anhand der hier vorgelegten Materialien, der Informationen auf den entsprechenden Seiten des Buches (siehe zum Nachschlagen das Sachregister) und weiterer Recherchen nach folgenden Fragen: 1. Was ging dem Friedensschluss voraus? 2. Wer waren die beteiligten Mächte? Welche Motive und Ziele verfolgten sie bei der neuen Friedensordnung? Wie kam der Vertrag/das Abkommen zustande? 3. Was regelt er? Wie sollte der Frieden gesichert werden? 4. Wie wurde der Friedensschluss von den Zeitgenossen aufgenommen? Analysiert in dem Zusammenhang die Karikaturen M 1, M 2, M 5 und M 6. 5. Inwiefern konnten langfristige und stabile Friedens ordnungen geschaffen werden? 6. Wie beurteilen Historiker/Politikwissenschaftler heute die Bedeutung der Friedensabkommen für Deutschland, Europa und die Welt? Arbeitet dazu die wesentlichen Aussagen aus M 3, M 4 und M 7 heraus. 7. Gestaltet in eurer Gruppe einen Vortrag und ein Plakat mit euren Arbeitsergebnissen. 8. Stellt eure Ergebnisse in der Klasse vor. Arbeitet danach zusammen Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Friedensverträge heraus. 4493_1_1_2014_272_321_kap6.indd 299 07.04.14 14:19 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C . B uc hn er V er la gs | |
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