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Deutungen des Gewissens 65 Spielt anhand eines Gewissenskonflikts die Gerichtsarbeit des Gewissens nach: Teilt das Ich auf in die Rolle des Anklägers, des Verteidigers und des Richters. ➜M3 Erarbeite aus dem Text die wesentlichen Bestimmungen des Gewissens. ➜M4 Glossar: Albertus Magnus, Kant, Thomas von Aquin 5 4Wähle aus den Aphorismen drei Aussagen aus, die deiner Meinung nach das Gewissen am treffendsten be schreiben, und begründe deine Wahl. ➜M1 Gib die beiden Aspekte des Gewissens: synteresis und conscientia in eigenen Worten wieder. ➜M2 Fasse in eigenen Worten zusammen, was Thomas von Aquin un ter Gewissen versteht. ➜M2 1 2 3 5 10 15 Das Gewissen als innerer Gerichtshof Für Immanuel Kant (1724-1804), den bedeutendsten Philosophen der Aufklärung, kann das Gewissen keine Stimme Gottes in uns mehr sein, sondern nur noch eine Stimme des inneren Ichs, das in verschiedenen Personen auftreten kann. Das Bewusstsein eines inneren Gerichtshofes im Menschen („vor welchem sich seine Gedanken einander verklagen oder entschuldigen“) ist das Gewissen. Jeder Mensch hat Gewissen und findet sich durch einen inneren Richter beobachtet, bedroht und überhaupt in Respekt (mit Furcht verbundener Achtung) gehalten, und diese über die Gesetze in ihm wachsende Gewalt ist nicht etwas, was er sich selbst (willkürlich) macht, sondern es ist seinem Wesen einverleibt. Es folgt ihm wie sein Schat ten, wenn er zu entfliehen gedenkt. Er kann sich zwar durch Lüste und Zerstreuungen betäuben oder in Schlaf bringen, aber nicht vermeiden, dann und wann zu sich selbst zu kommen oder zu erwachen, wo er alsbald die furchtbare Stimme desselben vernimmt. Er kann es in seiner äußers ten Verworfenheit allenfalls dahin bringen, sich daran nicht mehr zu kehren, aber sie zu hören, kann er nicht vermeiden. Immanuel Kant, Metaphysik der Sitten, S. 438 M3 5 10 15 20 25 Gewissen – eine Forderung an uns selbst Was jemand tun soll, sagt ihm sein Gewissen. Diese Antwort ist richtig und in dieser Einfachheit zugleich irreführend. Wir wollen uns jetzt mit ihr beschäftigen und fragen: Was ist das eigentlich, was wir Gewissen nennen? Was leistet das Gewissen? Hat es immer recht? Muss man ihm wirklich immer folgen, und muss man das Gewissen anderer immer respektieren? Das Wort „Gewissen“ ist offenbar nicht von vornherein eindeutig. Es wird in sehr verschiedenartigen Zusammenhängen verwendet. Wir sprechen von ge wissenhaften Menschen, die sich durch pünktliche Erfüllung ihrer täglichen Pflichten auszeichnen; aber wir sprechen auch von Gewissen, wenn jemand aus diesen Pflichten ausbricht und Widerstand leistet. Wir bezeichnen das Gewissen als ein unbedingt zu respektierendes Heiligtum jedes Menschen, das auch durch die Verfassung geschützt wird, und wir verurteilen dennoch sogenannte „Ge wissenstäter“ zu ho hen Strafen. Die einen halten das Gewissen für ei ne Stimme Gottes im Menschen, die anderen für ein Dressurprodukt, für die anerzogene Verinnerlichung ursprünglich äußerlicher Herrschaftsnormen. Was hat es auf sich mit dem Gewissen? Von Gewissen reden heißt, von der Würde des Menschen reden. Das Gewissen ist eine Forderung von uns selbst an uns selbst. Indem ich einen anderen ungerecht schädige, kränke, verletze, schädige ich mich unmittelbar selbst. Ich habe, wie wir sagen, „ein schlechtes Ge wissen“. Robert Spaemann, S. 73ff M4 A u fg a b e n Illustration: Julia Gandras N u r zu P rü fz w e c k e n E ig e n tu m s C .C . B u c h n e r V e rl a g | |
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