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Gerechtigkeit oder Ökologie? 95 Erarbeite aus den Pressemeldungen zum Nokia-Konflikt die darin enthaltenen moralischen Forderungen an unternehmerisches Han deln. ➜ M1 Recherchiere den Fall Nokia (oder ein vergleichbares Beispiel) genauer und prüfe, inwieweit die Unternehmensführung die Werks verlagerung nach Rumänien ebenso moralisch rechtfertigen könnte. ➜ M1 Zeige auf, wie die Wirtschaftsethiker Nutzinger und Homann jeweils das Verhältnis von Wirtschaft und Moral bestimmen. ➜ M3, M4 Ist Gewinnstreben unmoralisch? Stellt in Gruppenarbeit ethische Standards für unternehmerisches Handeln zusammen. ➜ M2-M4 Glossar: Erhard, Kapitalismus, Korporation, Shareholder Value, Smith, Solidarität, Soziale Marktwirtschaft 1 3 4 2 A u fg a b e n Wachstum schlägt Gerechtigkeit Es ist zugespitzt, aber nicht irreführend, wenn man konstatiert, dass die Ökonomie als selbstständige, von der Moralphilosophie getrennte Wissenschaft die Frage nach Gerechtigkeit in einem umfassenden Sinne sowohl aus dem Aussagezusammenhang ökonomischer Analysen als auch aus der Praxis des Wirtschaftens selbst weitgehend ausgeblendet hat. An die Stelle weitreichender Konzepte von Gerechtigkeit trat nunmehr die Wertgleichheit von Leistung und Gegenleistung im Sinne einer eng gefassten Tauschgerechtigkeit. Die vorher bestimmende Frage nach der angemessenen Verteilung von Einkommen und Vermögen wurde nunmehr ersetzt durch die Untersuchung über das Wesen und Ursachen des Reichtums der Völker (Smith, 1776), die dann später überführt wurde in die verwandte, aber besser formal handhabbare Frage nach den Bedingungen effizienten Wirtschaftens. Wachstum und Fortschritt, das sind seit Adam Smith und dem klassischen Liberalismus Zauberworte, die an die Stelle des Streits um die Verteilung eines gegebenen Reichtums treten (sollen). Die Gerechtigkeitsfrage erscheint daher in dieser Sichtweise nicht nur analytisch störend, weil sie die Nationalökonomie unter das Kuratel der Mo ral philosophie stellt, sondern auch als praktisch obsolet, weil gerade vom Wachstum die ärmeren Schichten der Bevölkerung einen besonders großen Nutzen ziehen. Dass das Thema „Gerechtigkeit“ zumindest lebensweltlich nicht mit ihrer weitgehenden Verbannung aus dem ökonomischen Fachdiskurs „erledigt“ war, das zeigen schon die sozialen Konflikte und gesellschaftlichen Umwälzungen, die sich in den folgenden zweieinhalb Jahrhunderten innerhalb und außerhalb Europas vollzogen. Hans G. Nutzinger, S. 7f „Ruinieren Sie Ihre Nächsten“ Der Münchner Professor für Wirtschaftsethik Karl Homann (* 1943) im Interviev mit der tageszeitung. taz: Herr Homann, erstmals, so hat eine Umfrage ge zeigt, unterstützt eine Mehrheit der Bundesbürger die Soziale Marktwirtschaft nicht mehr. Sind die M3 M4 5 10 15 20 25 30 35 5 10 15 20 25 großen Unternehmen für diese Entwicklung verantwortlich? Karl Homann: Ja. Die Menschen fragen nach Gerechtigkeit. Und da reicht ihnen der Hinweis auf die ökonomische Leistung überhaupt nicht. Im Gegenteil, diese Art von Antwort brüskiert sie eher. Dass die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland um eine Million gesunken ist, verbessert die Akzeptanz für unser Wirtschaftssystem nicht. • Was machen die Unternehmen falsch? Wir haben es mit einem sehr grundsätzlichen Problem zu tun. Unsere ethischen Vorstellungen wie Teilen, Mitleid und Solidarität stammen aus der vormodernen Gesellschaft, aus der Zeit vor dem Kapitalismus. Heute dagegen leben wir unter den Bedingungen des Marktes und des Gewinnstrebens – diese Realität steht für viele Menschen noch immer in einem intuitiven Gegensatz zum Gebot der Solidarität. Der Wettbewerb ist ein zentrales Element der Marktwirtschaft. Er kann die Lage der Menschen dramatisch verbessern, wenn der politische Rahmen stimmt. Trotzdem ist es intuitiv ungeheuer schwer zu verstehen, dass Konkurrenz ein sittlicher Imperativ sein soll. Solange die Mittel fair bleiben, dürfen, ja sollen sie Wettbewerb treiben, auch sie wissen, dass ihr Nächster wirt schaftlich in den Ruin gerät. Und sonntags sitzen sie mit ihm zusammen auf der Kirchenbank. Das muss man erst einmal kapieren. Karl Homann N u r zu P rü fz w e c k e n E ig e tu m d s C .C . B u c h n r V e rl a g s | |
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