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Gerechte Löhne 97 Führe die Betriebsversammlung der Pausenbrot-AG im Rollenspiel durch. ➜ M1 Untersuche die Statistik nach auffälligen Lohnunterschieden. Überlege, wovon diese Differenzen abhängen. ➜ M2 Diskutiert in Kleingruppen die Gerechtigkeitsfragen und entscheidet, welche Kriterien ihr jeweils stärker gewichten würdet. ➜M3 Stelle aus den Aussagen von Ruh und Gröbly ei nen Kri terienkatalog für gerechte Entlohnung zu sam men. ➜ M4 1 3 2 4 A u fg a b e n 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 Der Wert der Arbeit Die Ethiker Hans Ruh (* 1933) und Thomas Gröbly (* 1958) forschen zu Fragen der Lohngerechtigkeit und werden hier von Redakteuren der Zeitschrift EBKURS, Magazin der EB Zürich, interviewt. EBKURS: Wenn jemand am Ende des Monats 5 000 Franken auf dem Lohnkonto hat und jemand anders 25 000 Franken, kann man davon ausgehen, dass die zweite Person fünf mal mehr geleistet hat als die erste? Ruh: Lohnunterschiede widerspiegeln die Leistung nur zum Teil. Abgesehen davon ist es grundsätzlich schwierig, Leistung zu messen. Da müsste man sofort fragen, welche Kriterien angelegt werden. Zum Beispiel kann man darüber streiten, ob die Leistung eines Professors größer ist als diejenige einer Kindergärtne rin. Der Kindergarten ist unheimlich wichtig für die Entwicklung eines Kindes, also müsste diese Leis tung gut honoriert werden. In der Wirtschaft gibt es die Tendenz, die Fixlöhne durch Leistungslöhne zu ersetzen, also variable Lohnanteile an messbare Leistungen zu knüpfen. Was sagen Sie als Ethiker zum Leistungslohn? Gröbly: Ich würde das eher als problematisch anschauen: Die Starken, Schnellen, Fitten werden be lohnt. Das ist jetzt sehr en vogue, ist aber natürlich fatal für eine gut funktionierende Gesellschaft. Wieso? Gröbly: Weil nicht alle immer stark, schnell und fit sein können. Der Druck am Arbeitsplatz nimmt im mer mehr zu, was in der Schweiz Kosten in Folge von Stress von jährlich mehr als vier Milliarden Franken erzeugt. In dieser Zahl sind die psychischen Leiden der Betroffenen und ihrer Angehörigen noch nicht eingerechnet. Weshalb gibt es überhaupt so große Lohnunterschiede? Ruh: Zum einen widerspiegeln Lohnunterschiede einfach die Machtund Interessenordnung. Aber es gibt auch vernünftige Begründungen für Lohnunterschiede. Eine erste wäre: Wir müssen Anreize schaffen, dass fähige Leute sehr viel leisten. Dafür besteht ein volkswirtschaftliches Interesse. Der zweite Punkt: Wer gute Arbeit leistet, der muss auch belohnt werden. Dann müsste der Vorstandsvorsitzende des Schweizer Pharmakonzerns Novartis, Daniel Vasella, der 300-mal mehr verdient als der Durchschnittslohn in seiner Firma, also 300-mal bessere Arbeit M4 leisten. Lassen sich solche Unterschiede ethisch rechtfertigen? Ruh: Nein. Die oberste Managerschicht erbringt nicht so gigantische Leistungen, dass das die Höhe ihrer Ge hälter rechtfertigen würde. Auch der Markt be stimmt diese Löhne nicht, wie Manager oft behaupten. Der Markt spielt hier gar nicht, vielmehr setzt ein Kartell mit gleichen Interessen die Löhne fest. Gibt es ethische Kriterien für einen gerechten Lohn? Ruh: Am ehesten findet man Lösungen, wenn man vom System her denkt und sagt: Die Löhne müssen so ausgestaltet sein, dass für die gesamte Gesellschaft wünschbare Resultate herauskommen. Wir müssen die Vor aus setzungen für eine Gesellschaft schaffen, in der die Menschen so frei leben können, wie es die liberale Ideologie eigentlich verspricht. Aber der Markt allein bringt das nicht zustande, das muss sozial verwirklicht werden. Der Grad der Freiheit jedes Einzelnen misst sich zuallererst am Alltag: Wie lebe ich, wie wohne ich, wie esse ich, wie gesund kann ich sein? Entsprechend müssen wir da hohe Löhne zahlen, wo wir in diesen Bereichen Verbesserungen erzielen können. Zum Beispiel? Ruh: Zum Beispiel für Kindergärtnerinnen und Kindergärtner, in Pflegeberufen oder auch für Personen, die sich um Behinderte kümmern. Die brauchen einen hohen Lohn, erstens weil sie etwas Wichtiges leisten und zweitens weil sie etwas leisten, das die Gesellschaft zum Teil nicht mehr übernimmt. Thomas Gröbly; Hans Ruh, S. 6-11N u r zu P rü fz w e c k e n E ig e tu m d C .C . B u c h n e r V e rl a g s | |
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