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„Wir haben zu viel heiße Luft verkauft“M 1 Wie kann das Marketing den Umsatz des Unternehmens erhöhen? Wo er ist, gibt’s Krach: Seit Januar ist Amir Kassaei der beste Kreative der Welt, i ndet zumindest die New Yorker Branchenbibel h e Big Won – und der gebürtige Iraner ist nicht der Typ, der sich gegen diese Bezeichnung wehren würde. Radikal in Ansichten und Sprache mutet Kassaei seinen Kollegen einiges zu: Nicht die Banker, die Werber seien schuld an der Krise, sagt er. Denn die hätten zum sinnlosen Konsum angestit et: Amir Kassaei über den Untergang der Werbung. SZ: Herr Kassaei, der größte deutsche Autobauer ist der vielleicht wichtigste Kunde Ihrer Werbeagentur – sollten Sie da nicht wenigstens einen Führerschein haben? Kassaei: Als ich jung war, hatte ich kein Geld dafür, später keine Zeit. Aber wenn man genügend Vorstellungskrat hat, dann ist das kein Problem. Das funktioniert. Ziemlich gut sogar. SZ: Weil es beim Verkaufen ohnehin nur auf die richtige Verpackung ankommt? Kassaei: Früher war das so, aber das ist vorbei. Durch die Digitalisierung wissen die Menschen heute viel mehr als früher über die Produkte, die ihnen angeboten werden. Man kann die Kunden heute nicht mehr veräppeln. Ein schlechtes Produkt hat es heute viel schwerer, einen Markt zu i nden. Und das ist auch gut so. SZ: Aus der Sicht des Werbers müssten Sie das doch eigentlich schlecht i nden. Kassaei: Nein, denn das System funktioniert nicht mehr, wie die aktuelle Wirtschat skrise zeigt. Wir schimpfen immer auf die Banker, aber die Wahrheit ist: Die Marketing-Leute haben die viel größere Verantwortung. Denn die Wurzel dieser Krise liegt ja eindeutig im Konsum: Wer hat denn jahrelang den Amerikanern erzählt, dass sie sich über Konsum dei nierten sollen? Genau, wir waren es. SZ: Sie wirken nicht, als hätten Sie ein schlechtes Gewissen. Kassaei: Nein, aber darum geht es auch gar nicht. Ein Grund dafür, dass das System nicht funktioniert, ist, dass wir zu viel heiße Lut verkaut haben. Die meisten Unternehmen haben aufgehört, langfristig über sinnvolle Dinge nachzudenken, weil sie dachten, man kann ohnehin jeden Blödsinn durch das richtige Marketing verkaufen. SZ: Und das ändert sich jetzt? Kassaei: Das muss sich ändern. Unternehmen, die das nicht kapieren, werden untergehen – egal wie groß oder wichtig sie jetzt noch erscheinen mögen. In der Krise haben viele Menschen angefangen darüber nachzudenken, was sie eigentlich wirklich wollen, was sie brauchen und was ihnen wirklich wichtig ist. Diese Bewegung hat erst begonnen, aber sie wird stärker, das ist unausweichlich. Es geht nicht mehr darum, möglichst viel von allem zu besitzen. Es geht darum, die Dinge zu haben, die einem das Leben tatsächlich leichter, besser oder ei zienter machen. Man könnte sagen: Die Leute haben keinen Bock mehr auf Schrott, und wenn er von der Werbung noch so hübsch verpackt ist. Nach: Angelika Slavik, Süddeutsche Zeitung, 20.9.2012 5 10 15 20 25 30 35 55 60 65 70 Amir Kassaei, internationaler Kreativchef einer großen Werbeagentur und enfant terrible der Marketingbranche 157 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d s C .C .B uc hn er V er la gs | |
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