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deutsche „Wirtschaftswunder“ sind ohne die durch sie geschaffenen Rahmenbedingungen kaum denkbar. Und auch die Tatsache, dass Europa nach 1945 eine der längsten Friedensperioden seiner Geschichte erlebte, ist zu einem ganz erheblichen Teil auf die neue Art des Umgangs miteinander zurückzuführen. Von der Erbfeinschaft … Der Prozess einer europäischen Einigung war undenkbar ohne eine grundlegende Verbesserung des deutsch-französischen Verhältnisses. Solange diese beiden direkten Nachbarn und bevölkerungsreichsten Völker im westlichen Europa sich als „Erbfeinde“ betrachteten, war an Zusammenarbeit und Integration nicht zu denken. Oberstes Ziel der französischen Besatzungspolitik nach 1945 war allerdings zunächst, Deutschland zu Reparationszahlungen – auch mittels Demontagen – heranzuziehen, die Frankreich zum Aufbau der eigenen Wirtschaft benötigte. Zudem sollte der Nachbar, von dem seit 1870 drei Angriffe auf Frankreich ausgegangen waren, wirtschaftlich und militärisch unter Kontrolle gehalten werden, damit künftig kein deutscher Angriff mehr möglich war. Aus diesen Gründen setzte Frankreich in seiner Besatzungszone den Prozess des politischen Neuanfangs später und schleppender in Gang als die drei anderen Besatzungsmächte und widersetzte sich – zeitweise gemeinsam mit der UdSSR – seit Ende 1946 allen Plänen der USA und Großbritanniens, aus den drei westlichen Besatzungszonen möglichst rasch einen neuen deutschen Teilstaat zu gründen. Erst ab 1948 zeigte sich die französische Regierung unter den Vorzeichen des sich zuspitzenden Ost-West-Konfl iktes und auf Drängen der USA bereit, einem „neuen“, demokratischen deutschen Staat zuzustimmen. … über vorsichtige Annäherung … Frankreich wollte nach wie vor Sicherheit vor Deutschland. Das Mittel war nun nicht mehr Schwächung und Isolierung Deutschlands, sondern Partnerschaft und Zusammenarbeit. Ein Wechsel der französischen Politik fand Anfang der 1950er-Jahre seinen ersten Ausdruck im Schuman-Plan und in der durch Robert Schuman und Jean Monnet vorbereiteten Gründung der EGKS: Erst als sich die Bundesrepublik dazu bereit erklärte, ihre Schwerindustrie durch die EGKS kontrollieren zu lassen, zeigte sich Frankreich damit einverstanden, die Bundesrepublik als gleichberechtigten Partner in diese internationale Organisation aufzunehmen. Damit war das Muster für einen Prozess der schrittweisen Normalisierung der Beziehungen durch wechselseitige Zugeständnisse vorgegeben, das sich auch 1957 bei der Gründung von EWG und Euratom unter Beteiligung der Bundesrepublik und Frankreichs bewährte. Dass dieser Prozess aus französischer Sicht dennoch klare Grenzen haben konnte, zeigte sich allerdings im Jahr 1954: Angesichts des Korea-Krieges schloss sich die französische Regierung nach einigem Zögern der Auffassung der USA und Großbritanniens an, das westliche Bündnis brauche einen militärischen Beitrag der Bundesrepublik, und stimmte einer Wiederbewaffnung Deutschlands zu. Diese Zusage war an die Bedingung geknüpft, dass die Bundesrepublik einer neu zu gründenden Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) beitreten und damit ihr militärisches Potenzial internationaler Kontrolle unterwerfen sollte. Dennoch lehnte die Jean Monnet (1888 1979): französischer Unternehmer; 1946 1950 Leiter des französischen Planungsamtes; enger Mitarbeiter des französischen Außenministers Schuman i „Seid wachsam! ... Die europäische Verteidigungsgemeinschaft wird die Wehrmacht wiederauferstehen lassen. Fordern Sie von Ihren Abgeordneten die Ablehnung der Vereinbarungen von Bonn und Paris.“ Plakat der Kommunistischen Partei Frankreichs gegen die EVG, Anfang der 1950er-Jahre. 97Überwindung nationalistischer Konfrontation im Zuge der europäischen Einigung nach 1945 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d C .C .B uc hn er V er la gs | |
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