Volltext anzeigen | |
Ein neuer Gedanke für den alten Kontinent An frühere politische Ansätze konnte bei einer Einigung Europas nicht angeknüpft werden. Zwar hatten sich seit dem Mittelalter zunehmend gesellschaftliche und politische Strukturen in Europa angenähert (Schulen, Urkundenwesen, Staatsverwaltung, Städtewesen, Rechtsdenken u. v. m.), dieser Prozess wurde jedoch gerade nicht von der Idee eines geeinten Europa begleitet. Lediglich einige wenige Philosophen entwickelten seit Beginn der Neuzeit Vorstellungen einer politischen Einigung Europas, die nicht einfach bloße Herrschaftsdominanz bedeutete. Auf die reale Politik hatten sie jedoch keinen Einfl uss. Erst nach der Katastrophe des Ersten Weltkrieges fand die „Idee Europa“ breiteren öffentlichen Widerhall. Eine Reihe von privaten Organisationen propagierte in vielen Ländern des Kontinents die Überwindung des Nationalstaates und die Idee eines politisch geeinten Europa. Weitblickende Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft setzten sich für Völkerverständigung und wirtschaftliche Zusammenarbeit ein. Richard Coudenhove-Kalergi begründete 1922 die Paneuropa-Union. Aristide Briand und Gustav Stresemann, die Außenminister Frankreichs und Deutschlands, bemühten sich um Aussöhnung ihrer Nationen. Während des Zweiten Weltkrieges entwickelten viele Emigranten und Widerstandskämpfer Ideen eines überstaatlich organisierten Europa für die Zeit nach der Befreiung von dem verbrecherischen NS-Regime. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges schien die (west)europäische Einigung die wünschenswerte Option. Nur ein geeint handelndes, möglichst auch organisatorisch geeintes Europa sei in der Lage, die materiellen Kriegsfolgen rasch zu beseitigen und den Wiederaufbau voranzu bringen, den Kommunismus und die Expansion der UdSSR einzudämmen, zwischen den beiden Weltmächten noch eine eigenständige Rolle in der Welt zu spielen, die zerstörerische Kraft des Nationalismus einzudämmen und durch ein neues, konstruktives Konzept zu ersetzen. Diese Politiker wollten den unvermeidbaren Egoismus der Einzelstaaten durch deren Beitritt in internationale Organisationen zügeln und kontrollieren, in denen es verbindliche Regeln geben sollte, wie Entscheidungen fallen und wie Konfl ikte friedlich gelöst werden. Durch zunächst wirtschaftliche, später auch politische Verfl echtung sollte das Bewusstsein geschaffen werden, dass die Staaten von Zusammenarbeit größere Vorteile haben als durch eigenmächtiges Handeln und ungezügelte Konfl iktbereitschaft. Einigen Politikern schien diese Idee eines geeinigten Europa auch ein Weg, (West-)Deutschland durch seinen Beitritt in internationale Organisationen wieder in die Staatengemeinschaft aufnehmen und dadurch kontrollieren zu können. Europäische Organisationen entstehen Eine erste Etappe bei der Entstehung europäischer Organisationen und Institutionen war bereits 1948 die Einrichtung der OEEC (Organization for European Economic Cooperation) zur Verwaltung der Marshall-Plan-Hilfe. Die Wirtschaft sollte zur treibenden Kraft der Integration werden. Nur ein Jahr später gründeten (zunächst) zehn westeuropäische Staaten den Europarat. Er hat sich als gemeinsames Beratungsgremium für Parlamentarier und Regierungen etabliert, das sich für die Einhaltung der Grundsätze von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie für die zwischenstaatliche Zusammenarbeit insbesondere auf dem Gebiet der Rechtspolitik einsetzt. Der Europarat verabschiedete 1950 die Europäische Menschenrechtskonvention und gründete den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. i Treffen des Paneuropa Zentralrates mit dem französischen Außenminister Aristide Briand. Foto, Mai 1927. Links neben Aristide Briand (Bildmitte) sitzt der Gründer der Paneuropa-Union, Richard Coudenhove-Kalergi. Dem Paneuropa-Zentralrat gehörten Vertreter aus Frankreich, Deutschland, England, Ungarn, Estland, Finnland, Österreich, Griechenland und Polen an. Richard Coudenhove-Kalergi (1894 1972): japanisch-österreichischer Schriftsteller und Politiker. 1922 gründete er die Paneuropa-Union (auch Vereinigte Staaten von Europa). Nach 1945 regte er die europäische Einigung an. Paneuropa-Union: 1922 von Richard Coudenhove-Kalergi gegründete Organisation mit dem Ziel eines in Freiheit, Recht und Frieden geeinten Europa Marshall-Plan (offi ziell European Recovery Program, kurz ERP): Wiederaufbauprogramm der US-Regierung für Europa, benannt nach dessen Initiator, US-Außenminister George C. Marshall 95Überwindung nationalistischer Konfrontation im Zuge der europäischen Einigung nach 1945 Nu r z u Pr üf zw ec ke n ig e tu m d s C .C .B uc hn er V er la gs | |
![]() « | ![]() » |
» Zur Flash-Version des Livebooks |