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Formale Kennzeichen Bei dem Ölgemälde (105 x 77 cm) handelt es sich um eine Farbskizze für das Velarium „Kampf und Sieg“ des Malers Anton von Werner (1843 1915), eine von insgesamt fünf großen Leinwänden, die zum Einzug der siegreichen deutschen Truppen durch das Brandenburger Tor am 16. Juni 1871 über die Prachtstraße „Unter den Linden“ gespannt wurden. Mit seinen vielen monumentalen Schlachtenund Historienbildern prägte der Akademiedirektor, Porträtist des Berliner Hofes und Vertraute Wilhelms II. Anton von Werner die offi zielle Kunst des Zweiten Kaiserreiches. Bildinhalt Im Zentrum des Bildes steht ein Krieger auf einem Rappen. Sich zu seinen Leuten umblickend sprengt er auf die Feinde zu. Seine Ausrüstung mutet zum Teil mittelalterlich, zum Teil germanisch an. An Germanen erinnern auch die rotblonden Rosslenker hinter ihm und der rechts ins Bild ragende Hornbläser. Dass es sich bei den Angreifern um deutsche Soldaten handelt, wird durch die „altdeutsche“ Uniform des Soldaten im Bildvordergrund sowie die blaue, aus dem Krieg von 1870/71 stammende deutsche Uniform des Schwert schwingenden Soldaten deutlich. Die Gesichtszüge des Reiters lassen diesen als Kronprinz Friedrich Wilhelm von Preußen erkennen. Zu seinen Opfern gehört eine am Boden liegende Gestalt in antikem Gewand, die den französischen Kaiser Napoleon III. darstellt. Links oben reißt der preußischdeutsche Adler dem gallischen Hahn die Krone vom Haupt, von rechts oben preschen Fahnen tragende allegorische Gestalten zum Geschehen: die Borussia auf einem Streitwagen mit der Flagge des Norddeutschen Bundes, die ab 1871 inoffi ziell auch die des Kaiserreiches war, daneben Württemberg (Hirschgeweih) und Baden (roter Schrägbalken) sowie rechts Bayern (mit Rautenschild), dahinter die an dem Trierer Kreuz zu erkennende Rheinprovinz. Historischer Kontext Das Gemälde vermischt zeitgenössische mit historischen und mythischen Elementen. Das Geschehen bezieht sich auf den Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71, wie die obere Inschrift eindeutig zeigt. Darauf weisen neben der Darstellung Friedrich Wilhelms, im Krieg von 1870/71 Heerführer der preußischen Armee, auch die allegorischen Figuren hin, die für die gegen Frankreich kämpfenden Kriegsparteien stehen. Napoleon III. erscheint mit Toga und Lorbeerkranz wie ein römischer Würdenträger. Die germanischen und römischen Elemente stehen für den Kampf des Arminius gegen Varus. Die deutschen Soldaten unter Führung Preußens kämpfen 1870/71 somit als Nachfahren und in der Tradition der siegreichen Germanen. Weitere historische Bezüge ergeben sich über das Wappen des ritterlichen Anführers in Verbindung mit dem oberen Rahmentext. Das Kreuzwappen verweist auf das Eiserne Kreuz, das der preußische König 1813 zu Beginn der Befreiungskriege gegen Napoleon in Anspielung auf die Deutschordensritter und ihren Kreuzzugsauftrag verliehen hat. Bei dem oberen Rahmentext handelt es sich um eine Gedichtstrophe des Dichters Friedrich Rückert von 1813/14. Sie verleiht der Bildaussage eine doppelte antifranzösische Tendenz: Die Erinnerung an den Kampf gegen Napoleon I. wird mit dem Krieg gegen Napoelon III. verknüpft. Intention und Wirkung Die große Inschrift am unteren Bildrahmen fasst die Aussageabsicht des opulenten, aus naturalistischen und allegorischen Elementen gestalteten Bildes in einfache Worte: „Gott der Herr wird mit unserer gerechten Sache sein!“ In Anlehnung an die Kreuzzüge wird der Krieg gegen Frankreich 1870/71 als von Gott gewollt und damit rechtmäßig dargestellt. Wie nach der Strophe Rückerts am oberen Bildrahmen die Hand Gottes mit „einem Donnerschlag“ bereits Napoleon I. niedergestreckt hat, so geschieht dies nun auch mit Napoleon III. Der Deutsch-Französische Krieg erfährt hier die mythisch-religiös überhöhte Deutung eines neuen Kreuzzugs. Er wird als gottgewolltes und durch den Lauf der Geschichte seit der Varusschlacht vorherbestimmtes Strafgericht dargestellt. Die Erinnerung an die Napoleonische Fremdherrschaft dient dabei als Legitimation für das aktuelle politische Handeln. 93Historienbilder analysieren Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei g nt um d es C .C .B uc hn er V er la gs | |
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