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i Ein Christ wird von Muslimen geköpft. Illustration in einer Kreuzzugschronik, 14. Jahrhundert. Das Feindbild Islam sollte der Kreuzzugsidee Nachdruck verleihen. Auf der Säule sitzend schaut ein „heidnisches Symbol“ zu. M1 „Christus spricht heute zu euch …“ Am 5. November 1198 hält Abt Martin des Zisterzienserklosters Pairis im Bistum Basel eine Kreuzzugspredigt. Mönch Gunther aus demselben Kloster hat sie überliefert: Christus spricht heute zu euch durch meinen Mund mit seinen eigenen Worten, klagt euch das Unrecht, das ihm angetan. Vertrieben ist Christus aus seiner heiligen Stätte, aus seinem Sitz, ist verstoßen aus jener Stadt, die er selber mit seinem eigenen Blute für sich geweiht hat. Wehe! Wo einst die fl eischliche Erscheinung von Gottes Sohn durch die heiligen Propheten verkündigt wurde, […] wo er persönlich predigte und lehrte und oftmals Zeichen und Wunder verrichtete, wo er beim Mahl mit seinen Jüngern das Sakrament des allerheiligsten Leibes und Blutes einsetzte, wo er litt, starb und begraben wurde und nach drei Tagen wieder auferstand und vor den Augen seiner Jünger in den Himmel aufgenommen wurde und am zehnten Tage den Heiligen Geist in feurigen Zungen über sie ausgoss: dort herrscht jetzt die Barbarei eines heidnischen Volkes! O Unglück, o Tränen, o Abgrund von Leid! Das Heilige Land, durch das Christus seine Schritte lenkte, in dem er die Kranken heilte, Blinde sehend machte, die Aussätzigen reinigte und die Toten erweckte, dieses Land, sage ich, ist in die Hand der Ungläubigen gegeben; gestürzt sind die Kirchen, beschmutzt ist das Heiligtum, des Reiches Sitz und Würde ist auf die Heiden gekommen! […] Unser Volk, das jenes Land zu bewohnen pfl egte, ist fast vollständig vom Schwert des Feindes oder in schon lange währender Gefangenschaft dahingerafft […]. Das ist Christi Not, die ihn selber treibt, euch heute durch meinen Mund zu bitten! Deshalb, ihr starken Krieger, kommt jetzt Christus zu Hilfe, gebt eure Namen zur christlichen Heerfahrt, lasst euch freudig in ein glückhaftes Feldlager einreihen! Euch vertraue ich heute Christi Sache an, ihn selber gebe ich euch sozusagen in die Hand, damit ihr euch müht, ihn in sein Erbe wiedereinzusetzen, aus dem er grausam vertrieben ist. […] Wenn ihr aber fragt, was ihr von Gott an sicherem Lohn für solche Mühen erhoffen dürft, so verspreche ich euch gewisslich: Es wird jeder, der das Zeichen des Kreuzes nimmt und reine Buße tut, jeglicher Sünde fortan ledig sein, und gleichgültig, an welchem Ort, zu welcher Zeit und durch welches Geschick er das gegenwärtige Leben verlieren mag, er wird das ewige Leben gewinnen! Ich schweige jetzt davon, dass jenes Land, das ihr aufsuchen werdet, bei Weitem reicher und fruchtbarer ist als dieses hier; und es ist leicht möglich, dass viele unter euch dort selbst in den Dingen der Zeitlichkeit ein glücklicheres Schicksal fi nden, als sie es nach ihrer Erinnerung hier erfahren haben. So seht jetzt, Brüder, wie groß auf dieser Kreuzfahrt die Sicherheit ist, bei euch die Verheißung des himmlischen Reiches gewiss und die Hoffnung auf Glück in der Zeitlichkeit größer ist. Ich selbst gelobe mich als Gefährte der Reise und der Mühen, und wie es Gott gefallen mag, will ich Glück und Unglück mit euch teilen. Nehmt also jetzt, meine Brüder, frohen Sinnes das sieghafte Zeichen des Kreuzes, damit ihr die Sache des Gekreuzigten getreulich zum Ziele führen und um eine kurze, mäßige Mühe hohen, ewigen Lohn erwerben könnt. Gunther von Pairis, Die Geschichte der Eroberung von Konstantinopel, übersetzt und erläutert von Erwin Assmann, Köln/Graz 1956, S. 36 39 1. Beschreiben und begründen Sie die Wirkung der Kreuzzugspredigt des Abtes Martin. 2. Fassen Sie die Gründe für die Kreuznahme zusammen. Erläutern Sie, wie das Vorgehen gerechtfertigt wird. Berücksichtigen Sie den historischen Hintergrund der Kreuzzüge in der Zeit der kirchlichen Reformbewegung des 10. und 11. Jahrhunderts. 3. Überlegen Sie, welche Motive der Kreuzfahrer oftmals tatsächlich überwogen haben dürften. 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 121Konfl ikte zwischen Christen und Muslimen zur Zeit der Kreuzzüge Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d s C .C .B uc hn er V er la gs | |
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