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Die jüdische Perspektive Auch während der osmanischen Herrschaft im Nahen Osten gab es jüdische Ansiedlungen und Gemeinden in Jerusalem und in ganz Palästina. Wie auch viele Juden in der Diaspora glaubten sie an die Überlieferung des Propheten Jesaja, dass in „Zion“ (Jerusalem) der Messias erscheinen werde und diejenigen, die dort begraben sind, dann als Erste auferstehen werden. Diese jüdischen Gemeinden waren zahlenmäßig klein und besaßen keinerlei staatlich-politischen Charakter oder Anspruch. Der immer wiederkehrende und sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verschärfende Antisemitismus in vielen Staaten Europas führte zu Auswanderung und ließ mehrere namhafte Persönlichkeiten dafür werben, nun endgültig ins „Land der Väter“ und nach „Zion“ zurückzukehren. Dafür wurden Vereine ins Leben gerufen, wie „Chowewe Zion“ („Freunde Zions“). Seine eigentliche politisch-nationalstaatliche Ausprägung erfuhr der daraus entstehende „Zionismus“ aber erst durch den Wiener Journalisten und Juristen Theodor Herzl, der 1896 die Broschüre „Der Judenstaat – Versuch einer modernen Lösung der Judenfrage“ veröffentlichte (u M1). In ihr kam er zu dem Schluss, dass die in manchen Staaten Europas vollzogene rechtliche Gleichstellung der Juden sowie die Anpassung der jüdischen Lebensformen an ihre jeweilige Umgebung noch kein Ende des Antisemitismus bewirkt hätten. Stattdessen schlug er als „moderne“ Lösung die Gründung eines eigenen jüdischen Nationalstaates vor, in dem die Juden leben und die eigene Identität ohne Furcht wahren könnten. Herzl drängte auf eine internationale zionistische Konferenz. Sie sollte den Zionismus weltweit bekannt machen, das Zusammengehörigkeitsgefühl der Juden stärken und den zionistischen Gruppen und Palästinavereinen einen organisatorischen Rahmen geben. Theodor Herzl gehörte 1897 zu den Organisatoren des ersten Zionistischen Weltkongresses und wurde zum Präsidenten der von ihm initiierten Zionistischen Weltorganisation (ZWO) gewählt. Ziel der Zionisten war es, den auf der Welt verstreut lebenden Juden in Palästina eine Heimat zu geben (u M2). Ihre vordringliche Aufgabe bestand darin, den Aufbau Palästinas und die Auswanderung vorzubereiten. Um 1900 hatte der Zionismus etwa 200 000 Anhänger, aber auch Kritiker, für die die Lösung nicht in Auswanderung, sondern in Integration und Annäherung bestand (u M3). Von den folgenden „Zionistischen Kongressen“ ging tatsächlich eine programmatisch motivierte Einwanderung nach Palästina aus. Sie ließ den jüdischen Bevölkerungsanteil in Palästina, wo es während der osmanischen Herrschaft nur zahlenmäßig kleine jüdische Gemeinden ohne staatlich-politischen Charakter oder Anspruch gegeben hatte, stetig anwachsen. Es entstanden erste landwirtschaftliche Kollektivsiedlungen (Kibbuzim), 1909 wurde die Stadt Tel Aviv gegründet. Theodor Herzl war sich 1897 bereits sicher, durch sein Wirken einen jüdischen Nationalstaat in Palästina ins Leben gerufen zu haben. Theodor Herzl (1860 1904): aus Budapest gebürtiger österreichisch-jüdischer Schriftsteller, Publizist und Journalist. Unter dem Eindruck von Antisemitismus und Diskriminierung verfasste er die Schrift „Der Judenstaat“ (1896), mit der er den politischen Zionismus initiierte, der vor allem die Gründung eines jüdischen Staates anstrebte. Dafür versuchte er vergeblich die Großmächte zu gewinnen. 1949 wurde Herzls Leichnam nach Jerusalem überführt und auf dem nach ihm benannten Herzlberg beigesetzt. u Jüdische Siedler pfl anzen im Kibbuz Ramat Rachel Bäume. Foto, 1930er-Jahre. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts kamen Hunderttausende jüdische Siedler in mehreren Einwanderungswellen nach Palästina. Geleitet von zionistischen Idealen und sozialistischen Ideen gründeten vor allem osteuropäische Einwanderer ab 1909 Kollektivsiedlungen, die Kibbuzim, und landwirtschaft liche Genossenschaften (Moschavim). Die jüdischen Siedler begannen mit der Erschließung des Landes und dem Aufbau neuer Wirtschaftsund Gesellschaftsstrukturen. Je mehr die Zahl der jüdischen Einwanderer wuchs, desto schwieriger wurde das Verhältnis zu den in Palästina ansässigen Arabern, bis es dann ab 1920 zu offenen Auseinandersetzungen zwischen beiden Gruppen kam. Kibbuz (Pl. Kibbuzim): hebr. „Vereinigung“; genossenschaftliche Siedlung mit besonderer Gesellschaftsform und Ideologie; zuerst in Palästina zur Zeit des britischen Mandats, dann im Staat Israel 127Imperialismus und Nationalismus im Nahen Osten Nu r z u Pr üf zw ec ke n E ge nt um d es C .C .B uc hn r V er la gs | |
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