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M1 Die israelische Einnahme Jerusalems: Segen oder Fluch? Der israelische Journalist Gil Yaron schreibt 2007 über die Einnahme Jerusalems durch das israelische Militär 1967: Spielte die Klagemauer vor dem Sechs-Tage-Krieg im israelischen Alltag nur eine Nebenrolle, erfolgte 1967 ein tiefer Wandel. Am 7. 6. 1967 eroberten israelische Truppen Ost-Jerusalem. Der Verteidigungsminister Mosche Dayan ging mit den anderen Siegern, Generalstabschef Yitzhak Rabin (1922 1995) und dem lokalen Befehlshaber Motta Gur zur Klagemauer und erklärte feierlich: „Jerusalem ist befreit. Wir haben Jerusalem, die geteilte Hauptstadt Israels, vereint. Wir sind an unsere heiligen Plätze zurückgekehrt, um uns niemals wieder von ihnen zu trennen.“ In Israel brach eine begeisterte Stimmung aus. Die Dauer des Krieges wurde der biblischen Erschaffung der Welt gleichgestellt. Gläubige Juden sahen in dem erfolgreichen Feldzug ein Zeichen Gottes. Nicht alle Israelis labten sich an dem berauschenden Sieg. Eine Anekdote besagt, dass der israelische Premier Levy Eschkol kurz nach der Eroberung Ost-Jerusalems von seinen Beratern zur Klagemauer gebracht wurde. Euphorisch betrat er die Altstadt. Doch auf seinem Weg zum jüdischen Heiligtum verdüsterte sich sein Gesichtsausdruck. Hunderte schweigende Araber säumten seinen Weg und betrachteten die israelischen Eroberer mit einer Mischung aus Angst und Hass. An der Klagemauer angekommen, begrüßten ihn die Israelis mit stürmischem Beifall. Eschkol erhob seine linke Hand und machte mit zwei Fingern das „V“-Zeichen. Sein Berater fragte ihn: „Ist das ein V für ‚victory‘?“ „Nein“, fl üsterte Eschkol in Jiddisch zurück: „Das ist für: ‚Wie kriechen wir hier wieder raus?‘“ So hatte Eschkol, der wie fast alle Akteure des Sechs-Tage-Krieges gegen seinen Willen aufgrund einer Reihe von Fehlern in den Krieg hineingezogen worden war, schon kurz danach trotz der hysterischen Euphorie um ihn herum den militärischen Sieg als politische Niederlage erkannt. Mit den eroberten Gebieten hatte Israel das Palästinenserproblem „geschluckt“: Anstatt an ihren Grenzen befanden sich die Araber nun inmitten des jüdischen Staates. [...] Doch die Mehrheit reagierte ekstatisch auf die „Befreiung“ ganz Jerusalems. Schon wenige Stunden nach der Eroberung ließ der neu gewählte Bürgermeister Teddy Kollek das Mughrabi-Viertel vor der Klagemauer planieren. Insgesamt 135 arabische Häuser wurden dem Erdboden gleichgemacht, 650 Palästinenser zwangsweise umgesiedelt. Vor der Klagemauer entstand der große Platz, an dem sich heute Tausende zum Gebet einfi nden können. Gil Yaron, Jerusalem. Ein historisch-politischer Stadtführer, München 2007, S. 160 f. 1. Der Sechs-Tage-Krieg von 1967 wird aus israelischer Sicht oft als nationaler Triumph angesehen. Erarbeiten Sie Aspekte dieses „Triumphes“. 2. Nehmen Sie Stellung, ob Geschichte und Religion instrumentalisiert wurden. 3. Erläutern Sie, worin sich die Ambivalenz des Geschehens zeigt. 4. Diskutieren Sie, welche Alternativen es von israelischer oder amerikanischer Seite 1967 im Umgang mit der Klagemauer gegeben hätte. 5. Erörtern Sie am Beispiel der Klagemauer die Ansicht, dass Jerusalem der Kulminationspunkt des NahostKonfl ikts sei. 6. Entwerfen Sie Handlungsstrategien der palästinensischen Seite nach dem Krieg von 1967 sowohl gegenüber den arabischen Ländern als auch gegenüber Israel. i Israelische Soldaten tanzen an der Klagemauer. Neujahrskarte zum Sieg vom Juni 1967 nach dem Sechs-Tage-Krieg. 5 10 15 20 25 30 35 40 151Israel und seine arabischen Nachbarn im Kalten Krieg Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um s C .C .B uc hn er V er la gs | |
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