sonders intensiv wurde die Wechselwirkung um 1900, als eine künstlerische Fotografi e auf realistische und impressionistische* Malerei reagierte: Um die Motive möglichst genau und mit großer Bildschärfe abzulichten, wurden die Konturen weichgezeichnet. Der aus Dresden kommende und in Österreich arbeitende Fotograf Heinrich Kühn (1866 1944) war ein Meister dieses Stils, wie das Foto „Lotte und Mary auf der Wiese“ (Abb. 2) beweist. Die Gegenwart festhalten Nach dem Ersten Weltkrieg wendete sich das Blatt, denn die Fotografen besannen sich auf die spezifi schen Qualitäten der Fotografi e zur Dokumentation. Ein Vertreter dieser neuen Richtung war der Amerikaner Paul Strand (1890 1976). 1922 fotografi erte er eine Filmkamera mit einer beeindruckenden Präzision (Abb. 3). Mit dieser Fotografi e entdeckte man im vermeintlich Unscheinbaren visuelle Reize, die eine neue Art von Schönheit zeigten, die ganz in der Gegenwart verankert war. Selbst Jalousien oder Holzbretter konnten nun als schön wahrgenommen werden. Gleichzeitig mit der sachlichen Fotografi e, zu der der Kölner August Sander (1876 1964) mit seinen Porträts einen bedeutenden Beitrag leistete, entstand eine experimentelle Richtung. Während Sander Personen als Repräsentanten ihres Berufes wie den „Konditor“ (Abb. 4) aufnahm, experimentierten vor allem Fotografen der russischen Avantgarde* mit extremen Perspektiven. So erfasste Alexander Rodtschenko (1891 1956) die Dynamik des modernen Lebens in spektakulären Aufnahmen. Niemals vorher hatte jemand den steilen Blick von oben auf eine Frau mit einer Leica-Kamera als bildwürdig empfunden (Abb. 5). Auch die technischen Möglichkeiten wurden weiter ausgelotet. Man probierte Doppelbelichtungen, Fotomontagen*, Kombinationen mit Zeichnungen u. v. m. aus. 3 Paul Strand: Double-Akeley-Filmkamera, 1922 Silber-Gelatinedruck, 24,61 x 19,69 cm, Museum of Modern Art, New York 4 August Sander: Konditor, 1928 Schwarz-Weiß-Fotografi e, 13 x 18 cm, Photographische Sammlung, SK Stiftung Kultur/August Sander Archiv, Köln N u r zu P rü fz w e c k e n E ig n tu m d e s C .C .B u c h n e r V e rl a g s