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ken, das Hellblau an einen Himmel. Ist es das Paradies? Die oberen Abschnitte des Bildes widersprechen diesen vagen Andeutungen: Am Horizontstreifen sind Schrift und Bild miteinander verwoben. Der Kasten mit dem Symboltier hat überhaupt keinen Farbhintergrund, das Pergament scheint durch. Beim Fuß des Schreibpultes kommt es sogar zu einer unlogischen Verknüpfung von Bildfeld und Rahmen. Vorne und hinten, oben und unten, Fläche und Raum verschwimmen. Jede eindeutige Orientierung wird unmöglich gemacht. Das Bild widersetzt sich den Sehgewohnheiten. Ein anderes Bildkonzept Wie unterschiedlich zu dieser Zeit ein Bild aussehen konnte, zeigt ein Vergleich mit dem um 800 in Aachen entstandenen sogenannten Krönungsevangeliar (Abb. 2). Auch in diesem befi nden sich Bilder der Evangelisten. Die Gestaltung fällt hier aber völlig anders aus: Der Evangelist Johannes thront in einer Landschaft mit beeindruckenden Architekturen der Antike*. Er trägt antike Kleidung und wird von links beleuchtet. Die Falten seines weißen Gewandes lassen den Körper erahnen. Hintergrund und Figur sind räumlich klar unter schieden. In Gedanken versunken scheint der Gelehrte über seinen nächsten Satz nach zudenken. Die räumlichen und zeitlichen Verhältnisse sind klar defi niert. Bildraum und wirklicher Raum unterliegen denselben Bedingungen. Und auch die Umrandung der Bildseite wirkt plastisch greifbar – wie der Rahmen eines Fensters. Dadurch wird der Betrachter zum Zeugen einer sehr realen Szene. Bilder über Worte Auf den ersten Blick mögen viele die Kunst des sogenannten Krönungsevangeliars höher schätzen. Der Maler hat es zu einer erstaunlichen Meisterschaft in der Naturnachahmung gebracht. Das „Godescalc-Evangelistar“ verfolgt jedoch ein anderes Ziel. Was zunächst naiv erscheinen mag, erweist sich als durchdachtes Konzept. Das zeigt sich beim Blättern in der Handschrift. Auf die Abbildungen der vier Evangelisten folgt das Bildnis des thronenden Christus (Abb. 3). Es reiht sich in der Gestaltung von Hintergrund und Mobiliar in die Folge 1 „Godescalc-Evangelistar“: Evangelist Markus, 781 / 783 Buchmalerei auf Pergament, 31,2 x 21,0 cm, Bibliothèque nationale de France, Paris N u r zu P rü fz w e c k e n E ig u m e s C .C .B u c h n e r V e rl a g s | |
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