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203 1 Was die Kronstädter Matrosen fordern Ende Februar 1921 erreichten die landesweiten Unruhen auch die Seefestung Kronstadt, in der etwa 50 000 Menschen, darunter rund 16 000 Militärs lebten. Die Matrosen verabschiedeten am 28. Februar folgende Re so lution, die am 1. März auf einer Massen ver sammlung von etwa 15 000 Menschen bestätigt wurde: Nachdem wir den Bericht der Vertreter der Mannschaften gehört haben, die von der Volksversammlung der Schiffs mannschaften nach Petrograd ent sandt worden waren, um sich über die Lage in Petrograd Klarheit zu verschaffen, haben wir beschlossen: 1. Angesichts der Tatsache, dass die bestehenden Sowjets nicht den Willen der Arbeiter und Bauern zum Ausdruck bringen, unverzüglich Neuwahlen zu den Sowjets unter den Bedingungen geheimer Stimmabgabe und freier vorhergehender Wahlagitation für alle Arbeiter und Bauern durchzuführen. 2. Redeund Pressefreiheit für Arbeiter und Bauern, Anarchisten und links sozialistische Parteien. 3. Versammlungsfreiheit, Freiheit der Gewerkschaften und Bauernvereinigungen. […] 5. Alle politischen Gefangenen, die so zialis tischen Parteien angehören, zu befreien, ebenso wie alle Arbeiter und Bauern, Rotarmisten und Matrosen, die in Verbindung mit Arbeiterund Bau ernbe wegungen eingesperrt wurden. […] 7. Jegliche Politischen Abteilungen* abzuschaffen, da nicht eine einzige Partei Privilegien für die Propagierung ihrer Ideen beanspruchen und vom Staat zu diesem Zweck Geld erhalten darf. […] 9. Gleiche Lebensmittelrationen für alle Werktätigen mit Ausnahme derjenigen in gesundheitsschädlichen Berufen. 10.Die kommunistischen Kampfgruppen in allen Truppeneinheiten sowie auch die verschiedenen kommunis tischen Aufsichts dienste in den Fabriken und Betrieben aufzulösen. […] 5 10 15 20 25 30 35 40 2 Die Folgen des Aufstands Anfang März 1921 übernimmt in Kronstadt ein gewähltes Komitee die Macht. Die Sow jetregierung verhängt daraufhin das Kriegsrecht über die Stadt, unterbricht die Versorgungswege und lässt am 17./18. März die Seefestung von etwa 50 000 Rotarmisten stürmen. Noch im selben Jahr wird in Prag eine Dar stellung über den Kampf der Kronstädter veröffentlicht; darin heißt es: Kronstadt ist gefallen. Es fiel, ohne Unterstützung durch die Petrograder Arbeiter, ohne tatkräftige Hilfe aus dem unendlichen, in Unruhe geratenen Russ land erhalten zu haben […]. Der Kronstadter Aufstand hat die Kommunisten gezwungen, sich von ihrer Wirtschaftspolitik loszusagen, d. h. von demselben Kommunismus, für den die Oktoberrevolution durchge kämpft, ein Meer von Blut vergossen und Russland zerstört worden war. Weshalb wurde dann aber Kronstadt niedergeworfen? 5 10 3 Straßenkämpfe mit der Roten Armee. Foto aus Kronstadt, März 1921. 11. Den Bauern das volle Recht zu geben, über ihr ganzes Land so zu verfügen, wie sie es wünschen, und auch Vieh zu besitzen, sofern sie es mit eigenen Kräften halten, d. h. sich keiner Lohnarbeit bedienen. […] 15.Freie handwerkliche Produktion auf der Basis eigener Hände Arbeit zu gestalten**. Frits Kool und Erwin Oberländer (Hrsg.), Arbeiterdemo kra tie oder Parteidiktatur, Olten und Freiburg i. Br. 1967, S. 343 f. * gemeint sind Kommunistische Parteizellen zur Über wachung und Propaganda ** das heißt ohne Lohnarbeit Weshalb? Die Liste der unerfüllten For derungen zeigt klar wofür. Für die Forderung nach der Volksherrschaft, für die Forderung nach frei gewählten Sowjets. Die Kommunisten gelangten bis zur Absage an den Kommunismus, aber sie waren nicht bereit, die Frage der Macht zur Debatte zu stellen – schon gar nicht der Macht des ganzen Volkes, der Bauern, Arbeiter, Matrosen und Rotarmis ten, wie die Kronstädter es forderten. Die Kommunisten zogen es vor, die Verteilung zu ändern, den Handel wie derherzustellen, Ausländern Konzessionen zu gewähren und an Polen russisches Land und russische Bevölkerung abzutreten, anstatt, und wenn auch nur den sozialistischen Parteien, das Recht auf Freiheit des Wortes, der Presse und der Versammlung zu gewähren. Frits Kool und Erwin Oberländer (Hrsg.), Arbeiterdemokratie oder Parteidiktatur, a. a. O., S. 337 und 338 f. 15 20 25 30 35 45 50 1. Erarbeite aus den Forderungen die politischen Verhältnisse von 1920 sowie die Ziele der Kronstädter (M 1). 2. Der Kronstädter Aufstand wurde zum Zeichen für die Menschenfeindlichkeit des sowjetischen Systems (M 1 und M 2). Erkläre! 4753_193_205 03.11.16 07:55 Seite 203 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C .B uc h er V er la gs | |
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