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43 Die Voraussetzungen Anders als die Rheinbundstaaten hatte Preußen fast die Hälfte seines Staatsgebiets und seiner Bewohner verloren und musste hohe Abgaben an Napoleon zahlen. Um wieder in den Kreis der Großmächte aufzurücken und gegen Frankreich kämpfen zu können, muss ten alle Kräfte des Staates neu belebt werden. Die preußische Regierung begann mit dem Ausbau einer leis tungsfähigen Verwaltung. Doch die Reformer Freiherr vom und zum Stein und Karl August Hardenberg wollten mehr: Nur wenn jeder Einzelne sich ungehindert entfalten könne, werde das Gemeinwohl gefördert und damit der Staat gestärkt. Was bringt die „Bauernbefreiung“? Eingeleitet wurden die preußischen Reformen durch das Oktoberedikt von 1807. Mit ihm wurden die Bauern befreit. Die meisten hatten bis dahin in Erbuntertänigkeit gelebt, einer Art Leibeigenschaft, in der sie ihrem Gutsherrn rechtlich und wirtschaftlich unterstanden. Die früher erbuntertänigen Bauern mussten den Grundherrn nicht mehr um Zustimmung bitten, wenn sie heiraten wollten. Er durfte auch nicht mehr über sie richten. Die Bauern konnten Grund und Boden erwerben oder in die Stadt ziehen. Diens te und Abgaben entfielen aber erst, wenn sie die Gutsherren dafür entschädigt hatten. Dazu fehlte ihnen aber in der Regel das Geld. Mit der Aufhebung der Erb unter tänigkeit war das soziale Netz auf dem Land zerrissen, denn die Gutsherren hatten ihren Bauern bis dahin bei Krankheits und Not geholfen. Vor allem den kleinen Bauern fiel nun das Überleben schwerer. Die Zahl der Armen auf dem Land stieg. Viele Bauern verließen ihre Heimat und zogen als ungelernte Arbeiter in die entstehenden Industriegebiete. Das Oktoberedikt ermög lichte dem Bürgertum, adligen Grundbesitz zu erwerben und erlaubte allen Ständen freie Berufswahl. Weitere Reformen Mit der Gewerbesteuer wurde 1811 die Gewerbefreiheit eingeführt. Die Zünfte wurden abgeschafft und alle Beschränkungen für eine freie Betätigung in Handwerk und Gewerbe entfielen. Damals wurde der Grundstein für die wirtschaftliche Vorreiterrolle Preußens unter den deutschen Staaten gelegt. Um aus Untertanen selbstverantwortlich handelnde Bürger zu machen, schufen die Reformer 1808 eine Städteordnung: Die Bürger wählten Stadtverordnetenversammlungen, die wie heute die Stadtund Gemeinderäte die Politik in den Kommunen weitgehend selbst bestimmten. Eine von Wilhelm von Humboldt beeinflusste Bildungsreform sollte die Vo r aus setzungen dafür schaffen, dass die Bürger mehr Eigenverantwortung in Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft übernehmen könnten. Die Leh rer wurden besser ausgebildet, Volksschulen und Gym nasien ausgebaut und das Abitur eingeführt. 1810 entstand in Berlin eine bedeutende Universität. Dem politischen Wiederaufstieg hatte die Heeresreform zu dienen. Sie wurde von dem aus Niedersachsen stammenden Gerhard von Scharnhorst vorangetrieben. Die aus Söldnern bestehende alte Armee wurde aufgelöst und die allgemeine Wehrpflicht eingeführt. Die Militärstrafen des Auspeitschens und Spießrutenlaufens wurden abgeschafft, ebenso das Adelsmonopol für Offiziersstellen. Wer Offizier werden wollte, musste seine Eignung im Frieden durch Prüfungen und im Krieg durch besondere Tapferkeit nachweisen. Im Emanzipations-Edikt von 1812 wurden den Juden die bürgerlichen Rechte gewährt. Höhere Ämter in Justiz, Verwaltung und Militär blieben ihnen aber noch verwehrt. Höhepunkt der preußischen Reformen sollte die Berufung einer Landesre präsentation (Volksvertretung) auf der Grund lage einer Verfassung darstellen. Doch dazu kam es trotz königlicher Versprechen nicht. Der Adel wehrte sich mit der Krone gegen den drohenden Verlust seiner Vorrechte. Reformen in Preußen 1 Die erste Tagung der Berliner Stadt verordnetenversammlung am 6. Juli 1809 in der Nikolaikirche. Aquarell von Friedrich August Calau, 1809. ■Internettipp ➜ Mehr Informationen zur preußischen Geschichte siehe www.preussenchronik.de 4753_033_048 03.11.16 07:26 Seite 43 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d s C .C .B uc hn er V er la gs | |
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