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11Die Krise der Demokratie in Frankreich und Großbritannien wurden im gleichen Jahr 30,1 Prozent Arbeitslose registriert). Die Ausgaben für die Arbeitslosenversicherung stiegen sprunghaft an. Premierminister James Ramsay MacDonald plante deshalb eine Kürzung der Arbeitslosenunterstützung, um einen drohenden Staatsbankrott abzuwenden. Seine Partei, die britische Arbeiterpartei (Labour Party), die im Jahr 1900 gegründet worden war, stellte er dabei vor vollendete Tatsachen. Diese rebellierte jedoch gemeinsam mit den Gewerkschaften und schloss MacDonald aus der Partei aus. Die Situation erinnert sehr an die Entwicklung in Deutschland im Jahre 1930, als Reichskanzler Hermann Müller* zum Rücktritt gezwungen wurde, da die SPD-Reichstagsfraktion eine Erhöhung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung nicht mittragen wollte. Eine weitere Verelendung der Menschen, die Kurz arbeit leisteten und von ihrem Lohn kaum überleben konnten, erschien der SPD untragbar. In Deutschland wurde damit das schleichende Ende der Weimarer Republik eingeleitet. In Großbritannien konnte sich das parlamentarische System hingegen weiterhin behaupten. Hierzu trug auch das britische Mehrheitswahlrecht bei, das große Parteien bevorzugt und extremistischen Gruppierungen weniger Chancen einräumt. So gelang es MacDonald, der von König Georg V. nach seinem Parteiausschluss den Auftrag zur Bildung einer neuen Regierung, dem „Nationalen Kabinett“, erhalten hatte, die innenpolitische Situation Großbritanniens bis auf Weiteres zu stabilisieren. Im September 1931 hob die britische Regierung als Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise die Bindung des Pfunds an den Goldstandard auf und wertete die Währung ab. Damit wurden britische Exporte auf dem Weltmarkt wieder günstiger, weshalb sich die Wirtschaft ab Sommer 1932 zu erholen begann. Der britische Abschied vom Goldstandard hatte jedoch für andere Staaten, so für Deutschland, verheerende Auswirkungen. Aus Angst vor einer erneuten Infl ation wurde die Deutsche Reichsmark nicht abgewertet. Dadurch hätten sich auch die deutschen Auslandsschulden unverhältnismäßig erhöht. Die relativ teure Reichsmark hatte aber negative Konsequenzen für die deutschen Exporte, die zwischen 1931 und 1932 um 30 Prozent fi elen. Frankreich in der Krise der 1930er-Jahre Frankreich war von der Weltwirtschaftskrise anfangs nicht so stark betroffen wie Deutschland und Großbritannien, da das Land noch weitgehend durch seinen landwirtschaftlichen Sektor sowie kleine und mittlere Betriebe geprägt war. Die Krise auf den Weltmärkten hatte erst einmal kaum Bedeutung, vorerst fl ossen sogar bedeutende Geldströme von den krisenhaften Finanzzentren New York und London nach Paris. Anders als Großbritannien hielt Frankreich noch bis 1936 am Goldstandard fest. Nach der Abwertung des britischen Pfunds 1931 verteuerten sich französische Waren. Zwischen 1929 und 1932 halbierte sich deshalb der französische Export. Die Weltwirtschaftskrise begann sich nun auf Frankreich auszuwirken, wenn auch lange nicht so massiv wie auf Deutschland oder Großbritannien. So stieg etwa die französische Arbeitslosigkeit nur auf maximal 16 Prozent (1935). Doch sollte die Weltwirtschaftskrise in Frankreich bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges nicht völlig überwunden werden. Die wirtschaftliche Krise weitete sich aber rasch zu einer politischen und sozialen Krise aus. Ebenso wie in Deutschland war es auch in Frankreich kaum möglich, eine stabile Regierungsbildung zu garantieren. Zwischen Januar 1931 und Februar 1934 wurden zehn verschiedene Kabinette gebildet. Jedoch sollte die Instabilität der Dritten Republik nicht überschätzt werden, da die Regierungen zumeist aus ähnlichen MitglieJames Ramsay MacDonald (1866 1937): britischer Politiker der Labour-Partei, geboren in Schottland, von Januar bis November 1924, von 1929 bis August 1931 und von Oktober 1931 bis Mai 1935 Premierminister des Vereinigten Königreiches Mehrheitswahlrecht: Beim Mehrheitswahlrecht wird derjenige Kandidat in einem Wahlkreis in das Parlament entsandt, der bei einer Wahl die meisten Stimmen erhalten hat – selbst wenn er nur eine Stimme Vorsprung hätte. Die Stimmen, die für die unterlegenen Kandidaten abgegeben wurden, verfallen. Es erscheint deshalb wenig sinnvoll, für extremistische Parteien zu stimmen, da diese kaum ihren Kandidaten in das Parlament entsenden können. Goldstandard: Ist eine Währung an den Goldstandard gebunden, so garantiert die Zentralbank dafür, dass eine Banknote jederzeit in Gold umgetauscht werden kann. Hierzu hortet die Zentralbank große Mengen an Gold. Heute verfügen die Zentralbanken zwar auch noch über Goldreserven, jedoch basiert das Vertrauen in die Währung auf dem Glauben, dass die Wirtschaftskraft eines Landes dafür sorgen wird, dass es nicht zu einem Verfall der Währung kommt. * Siehe S. 80. Nu r z u P üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C .B uc hn r V er la gs | |
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