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19Faschismus und autoritäre Regime in Europa: die Beispiele Italien, Spanien, Polen und Ungarn Faschismus und autoritäre Regime in Europa: die Beispiele Italien, Spanien, Polen und Ungarn Die Zerstörung der Demokratie in Italien Die sozialen Unruhen waren in Italien in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg ungleich massiver als in Frankreich und Großbritannien, teilweise kam es sogar zu offenem Aufruhr. Infl ation, eine hohe Arbeitslosigkeit und ein am Boden liegendes Wirtschaftssystem desillusionierten die Bevölkerung und führten im ganzen Land zu Demonstrationen und Streiks. Im industriellen Norden des Landes, insbesondere um die Stadt Turin, wo 1917 ein Arbeiteraufstand blutig niedergeschlagen worden war, bildeten sich Arbeiterräte nach sowjetischem Vorbild. Im Sommer/Herbst 1920 nahmen die Unruhen und Fabrikbesetzungen immer weiter zu. Die Situation wurde noch dadurch verkompliziert, dass die italienische Regierung vielfach nur mit Notverordnungen regieren konnte, da sie keine feste Mehrheit im Parlament besaß. Dort hatten die Sozialisten 1919 die meisten Sitze errungen. Die Regierung hatte somit nicht die Macht, die Unruhen zu unterdrücken, wie dies in Deutschland bei der Niederschlagung des Spartakus-Aufstandes geschehen war.* Wegen ihrer Passivität verlor die Staatsgewalt immer weiter an Autorität. Dieses Machtvakuum nutzten die 1919 von Benito Mussolini gegründeten „Fasci di Combattimento“. In den folgenden Monaten überfi elen die Fasci Einrichtungen und Funktionäre der Linken im ganzen Land. Am 21. November 1920 nutzten die faschistischen Schwarzhemden die Amtseinführung der neugewählten sozialistischen Stadtverwaltung in Bologna, um bürgerkriegsähnliche Krawalle auszulösen. Bei den Wahlen im Mai 1921 bildeten die Konservativen einen „Nationalen Block“, zu dem auch die Faschisten gehörten. Damit wurde Mussolinis Bewegung gesellschaftlich bedeutend aufgewertet und auch für die bürgerliche Mitte wählbar. Zugleich behinderten die Schwarzhemden gewaltsam jede Wahlagitation der Linken – ähnlich wie dies bei den Märzwahlen 1933 durch die Nationalsozialisten in Deutschland geschah. Einen klaren Wahlsieg konnte der „Nationale Block“ jedoch nicht erreichen, kurzlebige instabile Regierungen wechselten sich ab. Seit Frühjahr 1922 begannen die Schwarzhemden, ganze Städte zu besetzen. Die örtlichen Polizeikräfte waren dabei machtlos, teilweise unterstützten sogar staatliche Stellen die Faschisten. Im August des gleichen Jahres riefen die italienischen Gewerkschaften die Arbeiter zum Generalstreik gegen den faschistischen Terror auf. Mussolini stellte daraufhin der Regierung ein Ultimatum: Sollte diese den Ausstand nicht innerhalb von 24 Stunden beenden, so würden die Faschisten dies tun. Ohne weiter abzuwarten, machte Mussolini seine Drohung wahr. In vielen Städten Italiens wurden die Gewerkschaftsgebäude und Parteizentralen der Linken gestürmt, Eisenbahnen besetzt und die Arbeiter gewaltsam in die Fabriken zurückgetrieben. Ende Oktober 1922 befahl Mussolini seinen Schwarzhemden den „Marsch auf Rom“. Zugleich forderte er den italienischen König Viktor Emmanuel III. auf, ihm das Amt des Ministerpräsidenten zu übertragen. Dieser gab der Drohung nach; am 30. Oktober traf Mussolini mit dem Zug in Rom ein. 25 000 zumeist nur leicht bewaffnete Schwarzhemden befanden sich zu diesem Zeitpunkt 40 km vor der Hauptstadt. Durch ein beherztes Eingreifen von Militär und Polizei hätte die Demokratie in Italien sicherlich verteidigt werden können. Als jedoch Hitler 1923 nach dem Vorbild Mussolinis seinen „Marsch auf die Feldherrnhalle“ in München inszenierte, brach dieser nach kurzer Zeit unter den Kugeln der bayerischen Polizei zusammen.** * Siehe S. 46. ** Siehe S. 60. Arbeiterräte: Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges bildeten sich in vielen europäischen Staaten Arbeiterund Soldatenräte. Vorbild waren die Räte (russ. „Sowjets“), die in Russland 1917 entstanden. Aufgabe der Räte war die Lösung akuter Probleme (Nahrungsmittelversorgung, Demobilisierung der Soldaten etc.), aber auch die Schaffung von Instanzen, die den Übergang zu einer demokratischen Gesellschaftsordnung regeln konnten. „Fasci di Combattimento“: Am 23. März 1919 gründete Mussolini aus verschiedenen regionalen Kampfgruppen die „Fasci di Combattimento“ („Kampfverbände“). Deren Mitglieder trugen schwarze Hemden und wurden deshalb auch als Schwarzhemden („Squadristi“) bezeichnet. Hitler nahm sich die italienischen Schwarzhemden bei der Gründung der SA („Braunhemden“) zum Vorbild. Benito Mussolini (1883 1945): italienischer Politiker; 1922 zum Ministerpräsidenten ernannt; errichtete eine Diktatur; 1945 von Widerstandskämpfern erschossen Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C .B uc hn er V rla gs | |
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