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23Faschismus und autoritäre Regime in Europa: die Beispiele Italien, Spanien, Polen und Ungarn Herrschaftssystem. Die Abschaffung der Demokratie zeigte sich eher indirekt. So wurden regierungskritische Zeitungsartikel konfi sziert, Journalisten verhaftet, Oppositionelle von Pil⁄sudski-Anhängern zusammengeschlagen, nicht genehme Beamte entlassen, unliebsame Organisationen aufgelöst oder bestimmte politische Versammlungen verboten (u M5). Die Ausschaltung demokratischer Kontrollinstanzen führte somit in Polen dazu, dass sich die autoritäre Herrschaft immer weiter radikalisierte. An diesem Beispiel wird deutlich, dass es keine halbdemokratische Staatsform geben kann. Wird die Demokratie nicht kompromisslos verteidigt, so endet diese früher oder später in einer unfreien Herrschaftsform. Ungarn – von der Republik zur Restauration Das Königreich Ungarn war bis 1918 Teil der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie. Als der Erste Weltkrieg in einer Niederlage endete, erklärte sich Ungarn für unabhängig und rief am 16. November 1918 die Republik aus. Dem ungarischen Adel ging diese Entwicklung aber zu weit, während die Kommunistische Partei Ungarns die Bildung einer Räterepublik nach sowjetischem Vorbild forderte. Die neue republikanische Regierung stand jedoch nicht nur innenpolitisch unter Druck. Ähnlich wie bei Deutschland und Österreich musste auch in Ungarn die provisorische Regierung der neugegründeten Republik und nicht die abgedankte Monarchie die Folgen des verlorenen Krieges tragen. Der Winter 1918/19 war in Ungarn durch eine massive Wirtschaftskrise geprägt. Der Binnenmarkt der Doppelmonarchie war zusammengebrochen und die Besetzung von Teilen des Landes erlaubte es nicht, einen einheitlichen Wirtschaftsraum aufzubauen. Rohstoffund Lebensmittelmangel waren die Folge. Zudem mussten die Angehörigen der ungarischen Armee demobilisiert und wieder in die Gesellschaft integriert werden. Damit entstand ein Heer von Arbeitslosen. Die innenpolitischen Konfl ikte verschärften sich noch dadurch, dass die Regierung die Einkommensund Vermögenssteuer erhöhen und damit die Arbeitslosen fi nanzieren wollte. Außerdem führte die Regierung eine Bodenreform durch, bei der das Land von Großgrundbesitzern an Mittellose verteilt wurde. Die neuen Eigentümer waren jedoch kaum in der Lage, die notwendige Entschädigung an die ehemaligen Besitzer zu zahlen. Letztere wiederum protestierten gegen die Enteignung durch die Republik. Insgesamt schuf die Regierung damit – vergleichbar mit der Situation in Spanien – Unmut in allen Bevölkerungskreisen. Auch außenpolitisch geriet Ungarn immer weiter unter Druck. Nachdem bereits Ende Oktober 1918 die Kroaten und Slowaken ihre Loslösung von Ungarn erklärt hatten, verkündeten am 1. Dezember 1918 die ungarischen Rumänen im Osten des Landes ihren Anschluss an das Königreich Rumänien. Am 20. März 1919 wurde Ungarn zudem von den Siegern des Ersten Weltkrieges ultimativ aufgefordert, seine Truppen noch weiter als in den Waffenstillstandsabkommen vom November 1918 festgelegt zurückzuziehen und damit die Besetzung ungarischer Gebiete durch rumänische, serbische und tschechoslowakische Truppen zuzulassen. Die bürgerlich-demokratische Regierung verfügte nicht über die Machtposition und den gesellschaftlichen Rückhalt, um dieses Ultimatum annehmen zu können. Das bürgerliche Kabinett trat deshalb zurück und übergab der Sozialdemokratischen Partei, die über eine große Anhängerschaft verfügte, die Regierungsgeschäfte. Die Sozialdemokraten bildeten am 21. März 1919 gemeinsam mit der Kommunistischen Partei unter Béla Kun eine Räterepublik nach sowjetischem Vorbild, die jedoch nur wenige Monate existierte. Die Kommunistische Partei konnte sich in der Folge gegen die gemäßigteren Sozialdemokraten durchsetzen und ihr Programm einer „Diktatur des Proletariats“ realisieren. Der Großgrundbesitz, Bergwerke und Großbetriebe wurden enteignet. Räterepublik: In einer Räterepublik geht die politische Macht nicht vom Parlament aus, sondern von Arbeiter und Soldatenräten („Sowjets“). Béla Kun (1886 1938): ungarischer Politiker, Kommunist; 1919 Mitglied der Räteregierung, nach Zusammenbruch der Räterepublik in Österreich interniert, Ende 1919 Flucht in die Sowjetunion und Tätigkeit für die KPdSU und die Komintern, 1938 Opfer der stalinistischen Säuberungen (wurde erschossen) Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d s C .C .B uc hn er Ve rla gs | |
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