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29Faschismus und autoritäre Regime in Europa: die Beispiele Italien, Spanien, Polen und Ungarn M6 Ungarn unter Admiral Horthy Während der autoritären Herrschaft des Admirals Miklós Horthy wird das ungarische Parlament nicht völlig entmachtet: [In Ungarn] spielte das Parlament eine wesentliche, durch Tradition verwurzelte Rolle. Die politischen Eliten waren an das parlamentarische Leben gewöhnt. Doch […] wurde das Parlament in hohem Grade durch bedeutende Vollmachten der Regierung und des Regierungschefs (und danach des Regenten1) eingeschränkt. […] Bedeutsam für die Ausübung der Staatsgewalt waren auch die Ergebnisse [der Parlamentswahlen]: Trotz des Drucks von Seiten der Nationalen Armee erhielt die Partei der Kleinbauern die meisten Stimmen. Für die Regierungsoligarchie war dies ein unübersehbarer Hinweis auf den Wunsch der Gesellschaft, die Formen des demokratischen Lebens beizubehalten. Es verwundert daher nicht, dass es im parlamentarischen Bereich zu einem Kompromiss kam: Die Opposition war so stark, dass sie in sichtbare Konkurrenz zur Regierungspartei trat. Sie konnte die Regierung kritisieren – allerdings ohne Obstruktionsrecht2. Auf der anderen Seite war die Regierungspartei so stark und verfügte dazu im Parlament über ein solches Übergewicht, dass sie sich nicht wie in Polen auf Provisorien und „Rechtsbeugungen“ stützen musste. Die ungarische Exekutivgewalt hatte also traditionell eine wesentlich größere Bedeutung als in Polen. Die Regierung wurde bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges zwar vom Regenten berufen, rechenschaftspfl ichtig war sie jedoch dem Parlament. Selbstverständlich einem Parlament, in dem die der herrschenden Elite verpfl ichtetet Regierungspartei die Mehrheit besaß. Das Kabinett konnte nur abberufen werden, wenn ein Drittel der eigenen Abgeordneten dafür stimmte. […] Die Vorrechte des Regenten, die in den Dreißigerjahren erweitert worden waren […], schränkten das Parlament zwar ein, drängten es aber nicht (wie die Verfassung von 1935 in Polen) an den Rand des politischen Lebens. Jerzy Kochanowski, a. a. O., S. 49 f. 1. Beschreiben Sie die Rolle des ungarischen Parlaments während der autoritären Herrschaft des Admirals Miklós Horthy. 2. Erläutern Sie, weshalb das ungarische Parlament – anders als der polnische Sejm – nicht von Admiral Miklós Horthy entmachtet werden konnte. M7 Das Parlament in Polen und Ungarn Das autoritäre Regime in Polen und Ungarn lässt sich besonders gut vergleichen, wenn man die Rolle des Parlaments untersucht: Während in Polen bis 1939 das geheime und gleiche Wahlrecht für Männer und Frauen erhalten blieb, galt das geheime Wahlrecht von 1925 bis 1938 in Ungarn nur in großen städtischen Zentren. Damit war Ungarn im Europa der Zwischenkriegszeit eine Ausnahme. Großen Beschränkungen unterlag auch das aktive Wahlrecht für Frauen. […] Beide Regime versuchten in gleicher Weise, die Rechte des Parlaments einzuschränken. In beiden Ländern schreckte man nicht vor Wahlmanipulationen durch die Bürokratie, die Regierungspartei und die Polizei zurück. Grundsätzlich geschah dies aber nur auf dem Lande (im Fall Polens in den östlichen Grenzgebieten), wo das niedrige Bildungsniveau der Gesellschaft ein solches Vorgehen erlaubte. In ähnlicher Weise wurde auch die Opposition eliminiert, nämlich durch entsprechende Manipulierung des Wahlrechts, insbesondere bei der Nominierung der Abgeordnetenkandidaten. In Ungarn bestand seit 1925 die Notwendigkeit, etwa 10% der Wählerunterschriften zu sammeln. Die Unterzeichner der Empfehlungsliste der oppositionellen Kandidaten mussten mit Nachteilen rechnen, besonders wenn sie Unternehmer und auf staatliche Aufträge angewiesen waren. Für öffentliche Beamte war es praktisch undenkbar, eine oppositionelle Empfehlungsliste zu unterzeichnen. Jerzy Kochanowski, a. a. O.,S. 51 f. 1. Nennen Sie die grundlegenden Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Polen und Ungarn. 2. Vergleichen Sie die Rolle des Parlaments während der autoritären Herrschaft von Pil⁄sudski und Horthy in Polen und Ungarn und beziehen Sie dabei die Quellen M5 und M6 mit ein. 3. Übertragen Sie die gewonnen Erkenntnisse auf die deutsche Entwicklung und vergleichen Sie diese mit der Rolle des Reichstages während der Präsidialkabinette und der Machtübernahme Hitlers bis zum Erlass des Ermächtigungsgesetzes am 24. März 1933. 5 10 15 20 25 30 1 Nach dem Ende der Räterepublik wurde in Ungarn wieder die Monarchie eingeführt. Da vorerst kein König zur Verfügung stand, wurde Miklós Horthy 1920 zum Reichsverweser (Regenten) gewählt. Als Reichsverweser oder Regent bezeichnet man eine Person, die vorübergehend stellvertretend für den König regiert. 2 Ein Beispiel für ein Obstruktionsrecht (von lat. obstructio: „Störung“) eines Parlaments ist das Misstrauensvotum, mit dem ein Regierungschef oder ein Minister durch parlamentarischen Beschluss abgesetzt werden kann. 5 10 15 20 Nu r z u Pr üf zw ck en Ei ge nt um d es C .C .B uc hn r V er la gs | |
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