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213Deutschland und die geteilte Welt nach 1945 Staatliche Neugliederung und Militarisierung Im Juli 1952 beschloss die DDR-Volkskammer eine staatliche Neugliederung. Sie löste die fünf Länder Mecklenburg, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen in 14 Bezirke auf und beseitigte damit alle früheren föderalen Einrichtungen. Zugleich wurde die Militarisierung Ostdeutschlands fortgesetzt. Mit Verweis auf ähnliche Bestrebungen in Westdeutschland wurden in der DDR militärische Verbände aufgebaut. Die 1952 eingerichtete Kasernierte Volkspolizei (KVP) umfasste Seeund Lufteinheiten. Im Mai 1952 beschloss der DDR-Ministerrat, ein Sperrgebiet an der innerdeutschen Grenze einzurichten. Nur die Grenze in Berlin blieb wegen der gemeinsamen Kontrolle der Stadt durch vier Siegermächte durchlässig. Am 5. Mai 1955 trat die Bundesrepublik Deutschland der NATO bei. Die Sow jetunion schloss 14 Tage später ein militä risches Bündnis mit den osteuro päischen Staaten ab: den Warschauer Pakt. Im Sep tember unterzeichnete eine DDR-Regierungsdelegation in Moskau einen Vertrag über die Beziehungen zwischen der DDR und der UdSSR. Daraufhin erklärte die Sowjetunion die DDR für souve rän. Eine Woche danach verabschiedete die Volkskammer ein Gesetz, das den Aufbau der Nationalen Volksarmee regelte und den bewaffneten Dienst zur „Ehren pfl icht“ erklärte. Die von Mos kau abhängige DDR wurde Anfang 1956 „gleichberechtigtes Mitglied“ des Warschauer Paktes. Ohne Opposition In der DDR gab es von Anfang an Widerstand gegen die rücksichtslose Politik der Parteiführung, aber keine eigentliche Opposition – weder in der Volkskammer noch außerhalb. Dazu fehlte die „vierte Gewalt“: freie und unabhängige Medien. Presse, Funk und Fernsehen wur den zentral gelenkt und zensiert. Die SED-Führung versuchte, das Fehlen der Opposition so zu rechtfertigen: Ihre Politik, die allein dem Wohl des Volkes diene, brauche keinen Widerspruch. Eine Opposition sei letztlich verbrecherisch, da sie in der DDR nur gegen diejenigen Kräfte gerichtet sein könne, die die „wahren“ Interessen der Bevölkerung kennen und vertreten würden: die Parteiund Staatsführung. Umgang mit Andersdenkenden Um Opposition von vornherein auszuschließen, wurden die Menschen so früh wie möglich in die von der SED kontrollierten Parteien und Massenorganisationen eingebunden und vom 1950 eingerichteten Ministerium für Staatssicherheit (MfS) überwacht, eingeschüchtert und bestraft. Die Stasi, so die Abkürzung für die Geheimpolizei, die auch geheimdienstliche Aufgaben (Spionage) im Ausland betrieb, unterstand allein der SED-Spitze. Eine parlamentarische Kontrolle bestand nicht. Dies unterschied das MfS von den Sicherheitsdiensten in demokratisch regierten Staaten. Wer Kritik an den politischen Entscheidungen und wirtschaftlichen Maßnahmen der SED übte oder Flugblätter gegen Missstände verteilte, riskierte schlimms te Strafen. Allein 1950 wurden in der DDR über 78 000 Menschen wegen politischer Vergehen verurteilt, in einigen Fällen sogar zum Tode. Die Justiz war in die sen Fällen ein willfähriges Instrument der SED. Opposition wurde als „Boykotthetze gegen demokratische Einrichtungen und Or ganisationen“ bestraft. Die Unabhängigkeit der Richter, wie sie in der Bun des republik durch das Grundgesetz gewährleistet wird, war in der DDR nicht gesichert: Richter wurden zu Befehlsempfängern der SED. Unzufriedenheit und Flucht Für die Bevölkerung der DDR bedeu tete der „Aufbau des Sozialismus“ auch Verzicht auf Konsum. Trotz schlechter Versorgung sollte immer mehr gearbeitet werden. Proteste in Betrieben wurden unterdrückt und als Störaktionen „westlicher Agenten“ abgetan. Die Unzufriedenheit wuchs, als Anfang Mai 1953 etwa zwei Millionen Menschen – vor allem den kleinen Selbstständigen und ihren Angehörigen – die Lebensmittelkarten entzogen und die Verbraucherpreise drastisch erhöht wurden. Der anhaltende politische Druck auf die Bevölkerung und die sich verschlechternden Lebensbedingungen ließen zwi schen Januar 1951 und April 1953 etwa 450 000 (von 18 Millionen) Menschen aus der DDR in den Westen fl iehen. Dennoch hielt SED-Parteichef Ulbricht – in Einklang mit Stalin – an dem eingeschlagenen Kurs eines raschen „Aufbaus des Sozialismus“ in der DDR fest. 2 Stacheldrahtzäune entlang der innerdeutschen Grenze. Foto vom Juli 1952 aus dem Harz. 1952 wurde entlang der Zonengrenze eine fünf Kilometer breite, militärisch gesicherte Sperrzone eingerichtet, um die anhaltende Fluchtbewegung zu stoppen. Die genaue Zahl der Opfer an dieser Grenze bis zum 12. August 1961 ist unbekannt. Die Angaben schwanken zwischen 101 und 407 Todesopfern. 31013_1_1_2015_164_227_kap4.indd 213 26.03.15 15:31 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C . B uc hn er V er la gs | |
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