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219Mit Material arbeiten M 2 Chruschtschow-Plakat. Foto von 1964. M 1 Abrechnung mit Stalin Der erste Parteitag nach Stalins Tod fi ndet im Februar 1956 im Kreml in Moskau mit 1 430 Delegierten sowie Abordnungen kommunistischer Parteien aus 55 Ländern und weiteren Gästen statt. Am letzten Tag hält Chruschtschow in einer geschlossenen Sitzung eine vierstündige Rede, in der er Stalin verantwortlich macht für Versäumnisse, Fehlentwicklungen und Ver brechen. Die Rede bleibt nicht geheim. Sie wird am 5. Juni 1957 erstmals in der „New York Times“ veröffentlicht und dann weltweit verbreitet. In der sow je tischen Presse wird sie erst 1989 vollständig gedruckt. Nach dem Tode Stalins begann das ZK*, der Partei […] nachzuweisen, dass es unzulässig und dem Geist des Marxismus-Leninismus fremd ist, eine einzelne Person herauszuheben und sie in eine Art Übermensch mit übernatürlichen, gottähnlichen Eigenschaften zu verwandeln. Dieser Mensch weiß angeblich alles, sieht alles, denkt für alle, vermag alles zu tun, ist unfehlbar in seinem Handeln. Eine solche Vorstellung über einen Menschen, konkret gesagt über Stalin, war bei uns viele Jahre lang verbreitet. […] Stalin handelte nicht mit den Mitteln der Überzeugung, der Erklärung, der geduldigen Arbeit mit den Menschen, sondern durch das Aufzwingen seiner Konzeptionen, indem er die absolute Unterordnung unter seine Meinung forderte. […] Im Besitz einer unbeschränkten Macht tolerierte er grausame Willkür, erdrückte er die Menschen moralisch und physisch. […] Die Sowjetunion wird zu Recht als Mus ter eines multinationalen Staates** angesehen, denn bei uns wurden in der Praxis Gleichheit und Freundschaft aller Völker gewährleistet, die unsere große Heimat bewohnen. Umso ungeheuerlicher sind die Aktionen, deren Initiator Stalin war. […] Die Rede ist von der Massenumsiedlung ganzer Völker aus ihren heimatlichen Orten […]. Zit. nach: Martin Hoffmann u. a., Aufstieg und Zerfall einer Weltmacht. Die Sowjet union von 1917 bis 1991, Bamberg 1994, S. 104 f. 5 10 15 20 5 10 1. Erläutere Chruschtschows Motive (M 1). Was wirft er Stalin konkret vor? Warum sollte die Rede geheim bleiben? 2. Beurteile die politische Aussage des Plakates (M 2). Berücksichtige die Kritik an Stalins Personenkult. 3. Fasse Chruschtschows Gründe für die Notwendigkeit der „friedlichen Koexistenz“ zusammen (M 3). Prüfe, ob er damit Abschied von der Zwei-Lager-Theorie (siehe M 3, Seite 173) nahm. ˘ Internettipp: Einen tabellarischen Lebenslauf von Chruschtschow fi ndest du unter Mediencode 31013-64 * * multinationaler Staat: Vielvölkerstaat * ZK = Zentralkomitee: Das ZK ist das von den Delegierten eines Parteitages gewählte Führungsgremium der Kommunistischen Partei. Es leitet und kontrolliert die gesamte Arbeit der Partei zwischen den alle fünf Jahre stattfi ndenden Parteitagen und wählt zum Beispiel aus seinen Reihen den Generalsekretär. M 3 Über die „friedliche Koexistenz“ Während des XX. Parteitages verkündet Chruschtschow 1956 auch seine Leit linien für die internationale Politik: Wenn […] eine Gefahr für die friedliche Koexistenz von Ländern mit verschiedenen sozialen und politischen Systemen besteht, so geht sie keineswegs von der Sowjetunion, keineswegs vom sozialis tischen Lager aus. […] Es gibt zwei, tatsächlich nur zwei Wege: entweder die friedliche Koexistenz oder den furchtbarsten Vernichtungskrieg der Geschichte. Einen dritten Weg gibt es nicht. Wir sind der Ansicht, dass Länder mit verschiedenen sozialen Sys temen nicht nur einfach nebeneinander bestehen können, sondern darüber hinaus eine Verbesserung der Beziehungen, eine Festigung des Vertrauens und eine Zusammenarbeit anstreben müssen. Zit. nach: Martin Hoffmann u. a., Aufstieg und Zerfall einer Weltmacht, a. a. O., S. 193 31013_1_1_2015_164_227_kap4.indd 219 26.03.15 15:31 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C . B uc hn er V er la gs | |
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