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142 Die „Deutsche Frage“ im 19. Jahrhundert Den Zulauf zur nationalen und liberalen Bewegung wollten die restaurativen Staaten weiterhin unterdrücken. Im Juli 1832 wurde die Presseund Versammlungsfreiheit im Deutschen Bund weiter eingeschränkt. Als besonders gefährlich sah die Regierung junge Dichter und Autoren an, die sie als „Junges Deutschland“ bezeichneten und deren Schriften sie verboten. Doch den Behörden gelang keine vollständige Unterdrückung der Opposition mehr. Dies zeigen die Reaktionen auf die Entlassung von sieben Göttinger Professoren (unter ihnen auch die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm), die 1837 gegen die Aufhebung der Verfassung durch den neuen König Ernst August von Hannover ein Protestschreiben aufsetzten. Drei Professoren gaben das Schreiben weiter, das rege Verbreitung im Bürgertum und bei Studenten fand. Sie mussten daraufhin das Land verlassen, was in allen deutschen Staaten Empörung auslöste. Die sogenannten „Göttinger Sieben“ wurden dagegen als mutige Helden gefeiert. Auch die Gründung des Deutschen Zollvereins* 1834 ließ eine nationale Einigung realistischer erscheinen und förderte die deutsche Nationalbewegung. Soziale Unruhen und politische Orientierungen Politische Brisanz erhielt die liberale und nationa le Bewegung durch die zunehmenden sozialen Probleme der 1840er-Jahre. Bevölkerungswachstum, Bauernbefreiung und die beginnende Industrialisierung hatten zu Beschäftigungsund Ernäh rungskrisen sowie Massen elend geführt. Die Berichterstattung über den Aufstand der schle si schen Weber von 1844 machte die Not der armen Bevölkerung erstmals überregional deutlich und klagte Unternehmer und Staat direkt oder indirekt an. Die Agrarund Gewerbekrise von 1846/47 ließ die Zahl der sozial und politisch motivierten Un ru hen steigen und verunsicherte die Regierungen. Ende der 1840er-Jahre schlossen sich immer mehr Menschen trotz Zensur und Ver sammlungsverbo ten politisch zusammen, zum Teil über die Landesgrenzen hinweg. Dabei entwickelten sich vier politische Ausrichtungen mit fl ießenden Übergängen: Konservatismus, Liberalismus, demo krati scher Radikalismus und Sozialismus. Abgesehen von den konservativen Kräften war allen ein Anliegen gemeinsam: die nationale Einheit. In an deren Fragen gingen die Meinungen schon vor 1848 weit auseinander. Während die Liberalen beispielsweise zwischen konstituti o neller Mona r chie und Republik i „Sieben gegen den König.“ Plakat zur gleichnamigen Ausstellung, die 2007/08 im Historischen Museum Hannover und im Städtischen Mu seum in Göttingen zu sehen war. Im Kreis links ist König Ernst August von Hannover, im Kreis rechts sind die „Göttinger Sieben“ zu sehen. u Volksunruhen in Deutschland 1816 1847. Nach: Richard Tilly, Kapital, Staat und sozialer Protest in der deutschen Industrialisierung, Göttingen 1980, S. 154 Unter „Unruhen“ versteht der Historiker Richard Tilly „kollektive Ruhestörung mit physischer Gewalt anwendung“. Als Quelle benutzte er ausgewählte Zeitungen, insbesondere die „Augsburger Zeitung“. p Skizzieren Sie die Entwicklung des Protestverhaltens. Konfl iktfeld 1816 1829 1830 1839 1840 1847 Summe unversitär** 13 13 5 31 religiös*** 9 20 17 46 politisch**** 4 72 33 109 sozioökonomisch***** 3 28 103 134 Summe 29 133 158 320 * Zum Deutschen Zollverein siehe S. 14. ** Studenten waren entweder Hauptakteure oder Studentenbzw. Universitätsangelegenheiten waren Hauptobjekte des Konfl iktes. *** Religion war, zumindest vorgeblich, Hauptobjekt des Konfl iktes. **** Der Protest war gegen den Staat mit seinen Organen gerichtet, um politische Änderungen durchzusetzen (Auswechseln eines be stimmten Staatsbeamten, Forderung nach einem neuen Gesetz). ***** gewalttätige Streiks, Brotkrawalle, Maschinenstürmerei, massenhaftes gesetzwidriges Betreten von Wäldern und Feldern, Steueraufruhr und Tumulte, die deutlich mit einer bestimmten sozioökonomischen Gruppe verbunden waren, z. B. Angriffe von Armen auf Reiche Restauration: Wiederherstellung eines früheren politischen oder wirtschaftlichen Zustandes 4677_1_1_2015_128-157_Kap4.indd 142 17.07.15 12:02 Nu r z u Pr üf zw ec k n Ei ge nt um es C .C .B uc hn er V er la gs | |
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